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Erfolg dank Spezialisierung

Mit einem breiten Sortiment online gegen große Anbieter antreten? Kein leichtes Unterfangen. Da ist der Weg in die Nische wesentlich aussichtsreicher, wie zwei Beispiele aus Calw und Hamburg zeigen

Eine Nische, so steht es im Duden, ist eine Ecke, ein Winkel. Ein Bereich, der trotz seiner Enge freie Entfaltung erlaubt. Wolfgang Kömpf wurde mit der Konzentration auf Nischen groß. Kömpf lebt im baden-württembergischen Calw. In der 23 000-Einwohner-Kleinstadt zwischen Stuttgart und Baden-Baden gründete sein Großvater Fritz 1934 mit einer Handvoll Mitarbeiter einen Baustoffhandel. Heute, rund 86 Jahre später, arbeiten mehr als 400 Menschen für Kömpf, verteilt auf drei Standorte: Zwei Geschäfte mit 45 000 beziehungsweise 15 000 Quadratmetern öffnen in Calw und in Sindelfingen ihre Türen, das Onlineangebot wird mithilfe einer Lagerfläche von 6000 Quadratmetern in Bad Liebenzell bedient.

Während die stationären Geschäfte nach Abteilungen strukturiert wurden, ist Kömpf im Netz mit Nischenshops unterwegs: Er betreibt einen Shop für Teichbedarf, einen für Grillbedarf, einen für Zaunbedarf. Es gibt eigene Shops für Fliesen, Badezimmer und Garagentore. Es gibt Shops, die nur Produkte von Karibu (Gartenprodukte), Weka (Holzbau) oder Oase (Teichzubehör) anbieten. Insgesamt bedient Wolfgang Kömpf mit seinen Mitarbeitern 26 Nischenshops.

Wolfgang Kömpf und Mitarbeiter Bauzentrum Kömpf

Die Mitarbeiter machen die Kömpf-Shops mithilfe von Suchmaschinenoptimierung bei der Google-Suche sichtbar.

Im Internet, so könnte man es in Anlehnung an ein Buch von Richard David Precht sagen, ist Wolfgang Kömpf ziemlich viele. Und das hat einen Grund. »Als wir 2010 mit dem Onlinehandel begannen, hatten wir den Eindruck, dass wir unsere Kompetenzen in den unterschiedlichen Bereichen mithilfe von Nischenshops besser vermitteln können als in einem großen Shop«, sagt Wolfgang Kömpf.

Ein Team aus Produktexperten und Redakteuren beschäftigt sich ausschließlich damit, dass Kömpf im Netz in jeder der 26 Nischen als Experte wahrgenommen wird: Die Mitarbeiter sorgen dafür, dass die einzelnen Kömpf-Shops mithilfe von Suchmaschinenoptimierung bei der Google-Suche gefunden werden, sie beantworten Kundenanfragen an einer Telefonhotline und verfassen Ratgeber und Blogbeiträge, beispielsweise rund um den Teichbau oder zu Gartenhäusern.

Haben die Kunden Kömpf erst einmal gefunden, gibt es noch einen weiteren Grund, warum viele sich für das Unternehmen entscheiden: Verteilt auf ganz Deutschland beschäftigt Wolfgang Kömpf 14 Montageteams. Sie bauen in jeder beliebigen Region Zaunanlagen oder Gartenhäuser, die online bestellt wurden, direkt beim Kunden auf.

Für den Baustoffhandel Kömpf sind die Nischenshops Wachstumsmotoren. Vor vier Jahren, erzählt Wolfgang Kömpf, habe sein Unternehmen mit den Internetshops rund 15 Millionen Euro Umsatz gemacht. Für 2020 erwartet er einen Online-Umsatz von gut 50 Millionen Euro. Nimmt er die stationären Geschäfte dazu, rechnet Wolfgang Kömpf für dieses Jahr mit einem Gesamtumsatz von mindestens 100 Millionen Euro. Schon bald, ist der Unternehmer überzeugt, wird der Umsatz in seinen Onlineshops deutlich höher sein als in den stationären Läden.

Erzählt man Claudia Bähr von Wolfgang Kömpf, findet sie seinen Erfolg zwar beeindruckend, aber nicht überraschend. Sie hilft Familienunternehmen dabei, ihre Nische zu finden. Gemeinsam mit ihrem Mann Claudius und 22 Mitarbeitern betreibt sie in Forchheim das Beratungsunternehmen claudiusbähr+friends.

»Wenn ich nicht möchte, dass der Kunde ausschließlich aufgrund des Preises entscheidet, bei wem er einkauft, dann muss ich meine Nische finden. Das bedeutet, dass ich ein Angebot kreieren muss, das es so nur bei mir gibt.« Manchmal lässt sich schon durch das angebotene Produkt eine Nische formulieren. Es gibt aber Claudia Bähr zufolge noch drei weitere Möglichkeiten, eine Nische zu besetzen und sich von Konkurrenten abzuheben: über eine Dienstleistung, über die Marke und über Emotion. Die Telefonberatung oder der Montageservice bei Kömpf sind zum Beispiel eine besondere Dienstleistung.

Ich muss ein Angebot kreieren, das es nur bei mir gibt

Claudia Bähr Beratung Claudiusbähr+friends

Wer es auf einem der genannten Wege schafft, ein einzigartiges Angebot herzustellen, der hat laut Claudia Bähr gute Chancen, dem handelsüblichen Preiskampf zu entkommen. Sie formuliert die Erkenntnis in einem fast poetisch klingenden Satz: »Sag dem Markt, wer du bist, bevor der Markt dir sagt, wer du sein sollst.«

Was Wolfgang Kömpf im Großen gelungen ist, baut die Hamburger Unternehmerin Marina Zubrod gerade im Kleinen nach. Im Mai 2019 ging sie mit ihrem Start-up Matica Cosmetics online, kurz darauf eröffnete sie in Hamburg einen kleinen Laden. Zubrod verkauft selbst hergestellte Peelings, Bodybutter oder Gesichtsreiniger aus Bienenwachs. Alle Produkte kommen nach ihren Angaben ohne Parabene, Chemie oder Silikone aus, ohne Tierversuche sowieso. In eigenen Naturkosmetikkursen vermittelt Zubrod Interessierten weitere Hintergründe zur Herstellung. Und noch etwas zeichnet ihr Sortiment aus: Marina Zubrod vertreibt Öko-Kosmetik, die nicht öko aussieht. Ihre Produkte verpackt sie in hübschen Tiegeln mit silberfarbenen Schraubdeckeln. In der Vermarktung schließlich setzt Zubrod auf ähnliche Mittel wie Wolfgang Kömpf: Die Hamburgerin und der Calwer besetzen im Internet eine oder mehrere Nischen und positionieren sich über Blogs und Videos als Experten.

Viele entdecken zuerst meinen Blog und stoßen dann auf meine Produkte

Marina Zubrod Gründerin Matica Cosmetics

Marina Zubrod schreibt beispielsweise über Tipps für reine Haut nach dem Absetzen der Pille oder über Sonnenschutz mit Naturkosmetik. »Viele entdecken zuerst meinen Blog – und stoßen dann auf meine Produkte«, erzählt die Unternehmerin. Zubrods Hauptgeschäft findet über ihren Onlineshop statt. Auf Instagram hat sie sich eine Community von mehr als 2000 Followern aufgebaut. Verglichen mit großen Marken ist das nicht viel, aber Zubrods Kundinnen sind ihr treu: Knapp jede Vierte kauft immer wieder bei ihr ein. Regelmäßig, zu Anlässen wie Ostern oder Muttertag, veranstaltet Zubrod auf Instagram »24-Stunden-Sales«: Einen Tag lang verkauft sie ein bestimmtes Produkt günstiger. Zubrod sagt, dass sie auf diese Weise jedes Mal Umsätze im mittleren vierstelligen Bereich generiert. Ein gutes Geschäft – im Onlineshop liegen ihre Umsätze innerhalb von 24 Stunden meist im dreistelligen Bereich. Am besten verkaufen sich die Kosmetika über Instagram dann, wenn Zubrod sie selbst bewirbt, mit einem kurzen Video oder Foto, für das sie persönlich vor der Kamera steht.

Zubrods Kundinnen leben in ganz Europa und bestellen hauptsächlich online. Das stationäre Geschäft wird deshalb nicht unwichtiger. »Der Laden stärkt unsere Glaubwürdigkeit«, ist Zubrod überzeugt. Es kommt inzwischen häufig vor, dass ihre Internet-Kundinnen auch im Laden vorbeikommen. Erst kürzlich machte eine Frau auf der Durchreise von Rheinland-Pfalz nach Sylt einen Zwischenstopp bei Zubrod in Hamburg. Natürlich hätte sie die Produkte auch einfach wieder im Netz bestellen können. Aber sie wollte das Geschäft einmal persönlich kennenlernen, in dem die Naturkosmetik hergestellt wird, die sie nur bei Marina Zubrod bekommt.

Text: Catalina Schröder; Fotos: SchreiberPötter, Daniel Cramer

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