»KI ist ein volkswirtschaftlicher Segen«

Prof. Antonio Krüger leitet das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Im Interview erklärt er, wo die Stärken und Schwächen von KI liegen und wie die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft davon profitieren können

4 Minuten Lesezeit

Herr Professor Krüger, Sie beschäftigen sich seit mehr als 30 Jahren mit KI. Was reizt Sie immer noch daran?

KI könnte auch für »künftige Informatik« stehen, denn es geht stets um neue Herausforderungen. Was früher die Speerspitze der KI war – ein Schachcomputer, der Weltmeister schlägt –, ist heute fast normale Informatik. Obwohl ich mich seit dem Studium mit KI befasse, habe ich immer noch das faszinierende Gefühl, am Anfang zu stehen.

Worum geht es in der Forschung des DFKI?

Wir decken unterschiedliche KI-Bereiche, also Sprachtechnologie, Bildverarbeitung, Robotik, in diversen Anwendungsfeldern ab. Unsere Mission ist die menschenzentrierte KI. Wir wollen keine völlig autonom handelnde Maschine, sondern Werkzeuge, die mittels KI den Menschen unterstützen.


Was kann KI grundsätzlich besser als der Mensch?

Weil sie ein maschinelles Verfahren ist, kann sie Aufgaben schneller bearbeiten. Dafür braucht KI aber eine Menge Daten und Energie. Menschen benötigen viel weniger Informationen, um etwas zu lernen, das ist effizienter.

Prof. Dr. Antonio Krüger

Prof. Dr. Antonio Krüger ist CEO und wissenschaftlicher Direktor des DFKI, wo er zudem den Forschungsbereich »Kognitive Assistenzsysteme« leitet. Seit 2009 lehrt der Informatikprofessor an der Universität des Saarlandes.

DFKI Saarbrücken

Im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken arbeiten Wissenschaftler:innen insbesondere am Transfer von der Grundlagenforschung hin zu KI‑Anwendungen in Wirtschaft und Gesellschaft.

Welche Einschränkungen sehen Sie noch bei KI?

KI-Systeme eignen sich gut für Fragen, auf die es eine wohldefinierte Antwort gibt. Wesentlich schwieriger ist es, Spitzenleistung von einer KI zu fordern, beispielsweise ein ungelöstes mathematisches Problem zu lösen. Außerdem stößt KI bislang an die Grenzen der realen, physischen Welt.

Wie meinen Sie das?

Die großen Sprachmodelle können deswegen so schnell trainiert werden, weil sie mit digitalen Daten lernen. Es dürfte aber noch länger dauern, bis ein Roboter die Wohnung aufräumt. Er muss nicht nur Dinge benennen können. Er muss auch wissen, wie er sie greift, wie schwer etwas ist, wo es hingehört. Das muss er zum Teil in der realen Welt lernen. Zudem ist die Fehlertoleranz bei robotischen Komponenten niedriger als bei einer Sprach-KI. Autonome Autos etwa müssen deutlich sicherer sein als menschliche Fahrer, damit sie eine breite Akzeptanz bekommen. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis all das gelingt.


Sind nicht viele Arbeitsplätze bedroht, wenn KI immer besser wird?

Manche Jobs werden wegfallen, weil KI Routineaufgaben schneller und genauer erledigt. Unterm Strich aber ist KI für Deutschland ein volkswirtschaftlicher Segen. In schrumpfenden Gesellschaften wie unserer lässt sich der Lebensstandard nur über Produktivitätssteigerung halten. Dabei kann KI helfen.

»KI bietet die Chance, fast alle Produkte digital aufzuwerten«

Prof. Antonio Krüger

VR-Brille

Bevor eine konkrete Anwendung entsteht (hier: eine Virtual-Reality-Brille) …

Platinen und Kabel

… sind viele Experimente und Vorarbeiten nötig.

Prof. Antonio Krüger vor rundem Fenster

Prof. Antonio Krüger beschäftigt sich bereits seit seinem Studium mit KI. Heute leitet er das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.

Wie kann das in deutschen Unternehmen konkret aussehen?

KI bietet die Chance, fast alle Produkte digital aufzuwerten, etwa im Maschinenbau. Ein digitaler Assistent könnte bei der Konfiguration bestimmter Maschinen helfen und so Vertriebsmitarbeiter unterstützen. Es sind aber auch KIs denkbar, dank derer sich eine Produktionsmaschine selbst auf einen bestimmten Anwendungszweck umstellt und so Umrüstzeit spart. Die Wartung von Maschinen wiederum lässt sich mithilfe von KI komplett aus der Ferne erledigen. In all diesen Fällen werden Menschen produktiver arbeiten können. Das erwarte ich auch im Gesundheitssektor.

Inwiefern?

Mit der richtigen KI als Werkzeug können Ärztinnen und Ärzte mit wenig Erfahrung auf dem Niveau erfahrener Spezialisten arbeiten. Auf mittlere Sicht kann KI das strapazierte Gesundheitssystem entlasten und die Rolle der Hausärzte aufwerten: Sie können dann Aufgaben übernehmen, die bislang Fachärzten vorbehalten sind, etwa spezielle Ultraschalluntersuchungen.


Welche Verantwortung sehen Sie bei sich und anderen, wenn es um die Entwicklung solcher KI‑Anwendungen geht?

Alle, die sich mit KI-Systemen beschäftigen, haben eine sehr große Verantwortung, das sorgfältig zu tun. Am DFKI gibt es eine Ethikkommission, die unsere Forschung beobachtet und selbst zur Ethik in der KI forscht. Der Umgang mit KI erfordert immer wieder neue Diskussionen und risikobasierte staatliche Regulierung, unter anderem in Bereichen wie Straßenverkehr oder Medizin.

Werkstatt DFKI

Am DFKI wird buchstäblich an KI geschraubt – etwa an Roboter-Anwendungen.

Fotos: Schreiber Poetter (7), Thomas Pirot (1)

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