„2030 wollen wir alle Dienste CO2-frei betreiben“

Gut 5’000 Menschen arbeiten bei Google Schweiz an allen grossen Google-Anwendungen wie Google Maps oder YouTube. Ein Gespräch mit dem Country Director Google Schweiz, Patrick Warnking, und der Tech Standortleiterin Lucia Terrenghi über Innovation, die enge Bindung zur Schweiz und den Vorteil einer diversen Belegschaft

8 Minuten Lesezeit

Herr Warnking, Sie leiten die Geschäfte von Google in der Schweiz. Wie würden Sie den Standort beschreiben?

Patrick Warnking: In einem Wort: Innovation. Sie steckt in der DNA der Schweiz so sehr wie in der DNA von Google. Hier am Standort entwickeln wir digitale Werkzeuge, die für unsere Nutzer*innen im Alltag hilfreich oder im Geschäft relevant sind.

Frau Terrenghi, als Site Lead stehen Sie an vorderster Front des Produktentwicklungsteams und leiten gemeinsam mit weiteren Manager*innen die Zürcher Büros von Google. Was geschieht hier genau?

Lucia Terrenghi: Zürich ist der grösste Entwicklungsstandort ausserhalb der USA. Gearbeitet wird unter anderem an Produkten wie Google Maps, Google Assistant, Gmail, YouTube oder Google Cloud.

Wie viele Googler*innen arbeiten in der Stadt?

Lucia Terrenghi: In Zürich sind es auf unseren beiden Standorten rund 5’000 Menschen aus rund 85 verschiedenen Nationen. Wir erleben hier eine riesige kulturelle und sprachliche Vielfalt.

„Google arbeitet schon seit 2007 CO2-neutral, 2030 wollen wir alle unsere Dienste CO2-frei betreiben. Und wir sind hoffentlich bald in der Lage, Nutzer*innen zu helfen, auf vielen Ebenen nachhaltigere Entscheidungen zu treffen.“

Patrick Warnking

Patrick Warnking

Patrick Warnking kam 2007 zu Google und ist seit 2011 Country Director von Google Schweiz.

Lucia Terrenghi

Lucia Terrenghi arbeitete unter anderem für Vodafone in München, ehe sie 2010 zu Google nach Zürich kam. Sie leitet den Standort zusammen mit drei weiteren Direktor*innen.

Blick aus dem Google Office vom Hürlimann Areal auf den Fluss Sihl, einem Nebenfluss der Limmat.

Blick aus dem Google Office vom Hürlimann Areal auf den Fluss Sihl, einem Nebenfluss der Limmat.

Lässt sich denn trotz dieser Vielfalt in den Google-Diensten so etwas wie ein Schweizer Einfluss erkennen?

Lucia Terrenghi: Wir leben in der Schweiz nah an der Natur, und das Umweltbewusstsein ist entsprechend ausgeprägt. Unter anderem deshalb wurden und werden viele Produkte unter Einbezug des Nachhaltigkeitsgedankens entwickelt. Zuletzt haben wir unter anderem daran gearbeitet, dass Nutzer*innen über die Google Flugsuche die Emissionen verschiedener Flüge miteinander vergleichen können.

Patrick Warnking: Google arbeitet schon seit 2007 CO2-neutral, 2030 wollen wir alle unsere Dienste CO2-frei betreiben. Und wir sind hoffentlich bald in der Lage, Nutzer*innen zu helfen, auf vielen Ebenen nachhaltigere Entscheidungen zu treffen.

Das heisst?

Patrick Warnking: Wenn ich Google Maps frage, wie ich von A nach B komme, von Zürich nach Frankfurt, habe ich heute die Wahl: Ich kann mich bei meiner Reise an der Zeit, am Geld oder am CO2-Ausstoss orientieren. Ich kann den CO2-Fussabdruck der Verkehrsmittel erkennen und entscheiden, wie ich mich fortbewege. Wenn Sie bedenken, dass täglich mehr als eine Milliarde Menschen Google Maps verwenden, wird klar, was für ein Hebel das ist. Zusammen mit vielen Partnern in der Schweiz testen wir immer neue Ideen, die wir dann global skalieren können.

Zum Beispiel?

Patrick Warnking: Google Maps entstand wesentlich in der Schweiz. Seither beschäftigt unsere Teams in Zürich die Frage, wie Menschen von A nach B kommen. An einer Stelle arbeiten wir mit der SBB zusammen und überlegen, wie wir den Übergang vom öffentlichen Verkehr auf das Velo besser abbilden können. Die Erkenntnisse solcher Partnerprojekte fliessen in unsere Produkte und lassen sich international erweitern oder gar global ausrollen.

„Die Vielfalt unserer Belegschaft ist die Basis für erfolgreiche Innovationen.“

Lucia Terrenghi

Ökosystem
Rund um Google Schweiz hat sich ein digitales Ökosystem entwickelt: Über 60 ehemalige Googler*innen haben inzwischen selbst Start-ups im Land gegründet. Viele weitere wurden Professor*innen an namhaften Hochschulen oder arbeiten in Schweizer Unternehmen.

Woher stammt die Betonung der Partnerschaften?

Patrick Warnking: In der Schweiz sind die Wege sehr kurz und die Türen weit offen. Wir kommen mit den Bildungseinrichtungen und NGOs, mit den Verbänden und Unternehmen in der Regel sehr einfach zu einem Austausch, der stets konstruktiv ist. Das hilft und inspiriert uns. Ein Alt-Bundesrat der Schweiz sprach deshalb sogar einmal von einer „Liebesgeschichte“ zwischen der Schweiz und Google.



Frau Terrenghi, an welchen Produkten wird hier besonders intensiv gearbeitet?

Lucia Terrenghi: Wir arbeiten zum Beispiel an der Google Suche, an Google Shopping oder am Google Assistant, weil wir uns viel mit dem natürlichen Verständnis der Sprache befassen, also mit der Frage, wie der Computer Sprache versteht. Auch unser Google-Cloud-Angebot wächst, weil immer mehr Organisationen Googles Cloud-Rechenzentren nutzen. Wir haben grosse YouTube- und Forschungsteams, und unsere Travel-Kolleg*innen entwickeln unter anderem Google Maps weiter und sorgen dafür, dass wir effizient navigieren und unsere Umwelt bewusster erkunden können. Wie Patrick schon sagte: Wir wollen unseren Nutzer*innen nachhaltige Entscheidungen ermöglichen. Jede*r soll einen eigenen Beitrag zum Klimaschutz leisten können.


Patrick Warnking: Das Schöne ist, dass die Produktverantwortlichen hier themenübergreifend zusammenarbeiten. Schliesslich sollen alle Google-Dienste zusammen funktionieren – etwa wenn ich einen Ort von Google Maps direkt an einem Datum im Google Kalender hinterlegen möchte.



Innovation entsteht unter anderem dort, wo vielfältige Perspektiven zusammenkommen. Entstehen deshalb gerade hier so viele Neuerungen?

Lucia Terrenghi: Ich komme aus dem Bereich der User Experience, wo wir untersuchen, wie Menschen digitale Anwendungen nutzen. Wenn wir mit unseren Diensten möglichst viele Menschen der Welt erreichen wollen, müssen so viele verschiedene Gruppen wie nur möglich am Entstehungsprozess beteiligt sein. Diese Vielfalt an Menschen und Projekten fördert hier in den Büros auch die Mobilität zwischen den Projekten: Die meisten Kolleg*innen bleiben im Durchschnitt drei Jahre bei einem Produkt, wechseln dann in ein anderes Team und befruchten dort die Arbeit. Diese Vielfalt unserer Belegschaft ist die Basis für erfolgreiche Innovationen.

Google Schweiz Innenansicht

People first: An zwei Tagen in der Woche kann jede*r Googler*in den Arbeitsort innerhalb der Schweiz frei wählen und muss nicht unbedingt ins Büro kommen.

Google Schweiz Außenansicht

Vier Wochen im Jahr können die Mitarbeiter*innen sogar von überall auf der Welt arbeiten.

IT-Expert*innen sind begehrt. Wie finden Sie die passenden Arbeitskräfte?

Patrick Warnking: Wir suchen global nach den passenden Talenten. Dabei hilft die Attraktivität unseres Standortes. Trotzdem wollen wir vor allem Menschen zu uns holen, die schon in der Schweiz leben: Die Schweiz war das erste Land der Welt, in dem Google auch eine Berufsausbildung angeboten hat. Zudem bringen die Schweizer Hochschulen hervorragende Talente hervor.



Sie bilden seit Kurzem Informatiker*innen mit dem Schwerpunkt Applikationsentwicklung aus.

Patrick Warnking: Ja, und ganz neu gibt es auch Lehrstellen für Interactive Media Designer*innen. Ich bin ein echter Fan des Programms: Genau das ist es, was ich unter „Verantwortung wahrnehmen“ verstehe. In vielen verschiedenen Projekten versuchen wir junge Menschen und vor allem Frauen für eine Ausbildung in den Fächern Mathematik, Informatik oder Naturwissenschaften zu begeistern.



Frau Terrenghi, wie kann das gelingen?

Lucia Terrenghi: Für viele junge Menschen steht die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit im Vordergrund: Was bewirkt der Dienst, an dem sie arbeiten? Was können sie selbst bewirken? Bei uns erfahren die jungen Frauen – aber natürlich auch die Männer –, wie Technologie grosse Herausforderungen lösen und zu mehr Nachhaltigkeit führen kann, aber auch zu mehr Gleichberechtigung, zu einem besseren Zugang zu Information. Diese Erkenntnis wirkt für viele motivierend.



Sie engagieren sich selbst für mehr Frauen bei Google, richtig?

Lucia Terrenghi: Ja, ich setze mich seit Jahren bei „Google Women in Engineering“ ein: Wir organisieren Events und Vorträge, laden Mädchen zum Zukunftstag ein oder pflegen Partnerschaften, etwa mit den „Women in Tech in Switzerland“. In diesen Gruppen bauen Frauen, die technologische Disziplinen studieren oder studiert haben, ein Netzwerk auf, aus dem übrigens auch ich viel Unterstützung erfahren habe.

Maschinenraum
Mehrere Hundert Entwickler*innen in Zürich beschäftigen sich mit sogenannter Site Reliability: Sie sorgen für die Sicherheit und Instandhaltung der Kernfunktionen aller Google-Dienste, ganz gleich ob bei YouTube oder GooglePay.

„In vielen verschiedenen Projekten versuchen wir, junge Menschen und vor allem Frauen für eine Ausbildung in den Fächern Mathematik, Informatik oder Naturwissenschaften zu begeistern.“

Patrick Warnking

Herr Warnking, wie wird sich Google Schweiz weiterentwickeln?

Patrick Warnking: Das weiss ich nicht – und das ist die Wahrheit. Unsere Arbeit entwickelt sich dynamisch. Immer wenn Projekte, die in Zürich angeschoben wurden, Erfolg haben, entstehen hier weitere Stellen.

Lucia Terrenghi: In den vergangenen Jahren wuchs zum Beispiel unser Commerce-Team extrem, weil der Handel insbesondere durch die Corona-Pandemie einen Digitalisierungsschub erfuhr. Händler*innen nutzen verstärkt Google Shopping und werden mit ihren Produkten online sichtbar. Wir arbeiten an Lösungen, die dem Handel diese Transformation erleichtern.

Patrick Warnking: Oder nehmen wir die Schweizer Uhrenhersteller und Unternehmen wie Mammut, On, Nestlé, Roche oder Novartis, die heute viel mehr als früher mit YouTube arbeiten – selbst wenn sie nicht im E-Commerce tätig sind. Viele Menschen nutzen die Plattform anstelle geschriebener Gebrauchsanweisungen. Wenn ich wissen will, wie ich meine Uhr einstelle, meine Velobremsen entlüfte oder ein Zelt aufbaue, schaue ich mir einfach ein Video an.

Eine Reihe von Unternehmen verändern im Zuge der Digitalisierung ihre Art zu arbeiten. Wie und wo werden die mehr als 5’000 Menschen bei Google in der Schweiz künftig arbeiten?

Lucia Terrenghi: Vor allem flexibel: Jede Woche kann jede*r Mitarbeitende zwei Tage innerhalb der Schweiz an einem Ort ihrer oder seiner Wahl arbeiten. Zusätzlich können alle vier Wochen im Jahr ihren Arbeitsort vollkommen frei wählen und von jedem Ort der Welt arbeiten. Aber auch bei der Entwicklung unserer Dienste werden wir experimentieren, denn jedes Team und jedes Projekt entwickelt einen eigenen Rhythmus – und nicht in jeder Arbeitsphase braucht es zum Beispiel ein Whiteboard oder einen Meetingraum. Gleichzeitig löst man komplexe Probleme nicht zwingend in Einzelarbeit vor dem Bildschirm, sondern vielleicht bei einer gemeinsamen Tasse Tee oder einer Partie Billard.

Patrick Warnking: „People first“ galt für uns schon vor der Pandemie, ist nun aber noch wichtiger. Wir schauen, ob es den Menschen gut geht und wie wir sie unterstützen können. Die Arbeit soll zu den Lebensbedürfnissen unserer Mitarbeitenden passen. So bauen wir die Basis unseres Erfolgs stetig aus.

Fotos: Yves Bachmann

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