Das Ich im Digitalen
Auf Einladung des Google Safety Engineering Center trafen sich Forscher, Künstler und Philosophen zum » World Frontiers Forum « in Berlin und widmeten sich der Frage, wie wir eine humanistische Vision unserer digitalen Identität realisieren können
Ein mächtiges Thema hatten sich die Teilnehmer des »World Frontiers Forum« (WFF) mit der Frage nach einer wünschenswerten Architektur für unsere »digitalen Identitäten« gegeben. Der Begriff bezeichnet nicht nur die digitale Version des Personalausweises – digitale Identität ist die Summe der Daten, die wir mit unseren Nutzerkonten oder Cookies bei unseren Bewegungen im Digitalen hinterlassen. Diese Daten sind sehr viel wert, sagte etwa der Informatiker Alex »Sandy« Pentland beim WFF : Er rief dazu auf, Daten als einen Wertstoff wie Land, Arbeitskraft oder Kapital zu behandeln.
Rechtsprofessor Lawrence Lessig von der Harvard University blickte aus anderer Richtung auf das Thema. Er verwies darauf, dass manche Länder digital immer mehr Wissen über ihre Bürger sammeln, um sie besser kontrollieren zu können. Andere Staaten wiederum erfassen Menschen digital und geben ihnen auf diese Weise eine Identität, mit der sie Zugang zu Gesundheitsvorsorge oder Versicherungen erhalten. Digitale Identität kann also systemische Kontrolle, aber auch Ermächtigung des Einzelnen durch Zugang zu Informationen, Wissen und Diensten ermöglichen.
Überhaupt vereint der Begriff vielfältige Facetten, das wurde beim WFF deutlich. Biologin Michal Preminger zeichnete das Bild einer Zukunft, in der jeder Mensch eine Art digitalen Zwilling hat, mit dem sich errechnen lässt, welche Wirkung eine Entscheidung erzeugt, die wir heute treffen: Wie beeinflusst das, was wir essen, sehen oder lernen, das Ich der Zukunft? Mit einem digitalen Zwilling ließe sich potenziell genau das vorhersagen.
Ein Gedanke zog sich durch viele der WFF-Debatten: Die Digitalisierung verändert uns und dadurch unser Selbstbild im Digitalen. Deshalb sollten wir darüber nachdenken, was uns ausmacht, was uns wichtig ist – und was es für das Technologiedesign der Zukunft bedeutet.
Fotografie: Jessica Safko/WFF