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Es geht um Künstliche Intelligenz, die veränderte Arbeitswelt und um einen frischen Blick auf große Kunst: Googles CEO Sundar Pichai eröffnet das neue Büro in Berlin und sucht den Austausch mit Studenten, Politikern und Kulturschaffenden
Ein sonniger Wintermorgen in Berlin. Vor dem Audimax der Technischen Universität Berlin reihen sich Studentinnen und Studenten in eine Warteschlange, die immer länger und länger wird. Alle haben einen der 1200 kostenlosen Sitzplätze für die Veranstaltung mit Sundar Pichai ergattert: Der 46-Jährige studierte Materialforschung und führt seit 2015 als CEO die Geschäfte von Google. Zum Auftakt seines eintägigen Berlin-Besuches kommt er bewusst an die TU und spricht mit den angehenden Ingenieuren über das Wesen gelungener Innovation. Nach dem einstündigen Dialog geht es gleich weiter: Sundar Pichai verkündet eine neue Phase einer digitalen Bildungsoffensive, er trifft Regierungspolitiker und eröffnet am Abend das Google-Büro gegenüber der Berliner Museumsinsel. Doch der Reihe nach.
1. Die Zukunft der Künstlichen Intelligenz entwickeln
»Für mich ist es, als würde ich nach Hause kommen«, sagt Sundar Pichai zu den Studenten im Audimax der TU Berlin. Er ist für ein Dialogformat an die Universität gekommen: Nach einem kurzen Gespräch mit Professor Volker Markl kommt das Publikum zu Wort. Gleich zu Beginn fällt ein Begriff, der die Diskussion dominiert: Künstliche Intelligenz, kurz KI. »KI ist in allem was wir tun gegenwärtig«, sagt Sundar Pichai. Produkte wie Google Maps oder der Google Assistant sind ohne die Techniken des maschinellen Lernens nicht denkbar. Ärzte lassen sich schon heute bei der Auswertung von Röntgenbildern durch KI unterstützen. Im Idealfall, so Pichai, gewinnen Mediziner durch KI Zeit, in der sie sich ihren Patienten zuwenden können.
Doch Googles CEO formuliert die Chancen mit Bedacht. Er verweist auf die sieben KI-Prinzipien, die er seinem Unternehmen für Neuentwicklung mit Künstlicher Intelligenz auferlegt hat: Sie dürfen zum Beispiel keinen Schaden anrichten und müssen immer den Menschen nützen. Die angehenden Ingenieure und Informatiker warnt Pichai davor, in der nahen Zukunft zuviel von der neuen Technik zu erwarten. »Wir tendieren dazu, Technologie auf kurze Sicht zu überschätzen und auf lange Sicht zu unterschätzen.«
Wir tendieren dazu, Technologie auf kurze Sicht zu überschätzen und auf lange Sicht zu unterschätzen.
Sundar Pichai CEO von Google
Der Austausch mit den Studenten konzentriert sich dann auch auf die Zukunft und auf die Möglichkeiten, die sich aus dem aktuellen Stand der Technik ableiten lassen. »Sehen Sie zu, dass Sie sich in Ihrer Ausbildung mit Künstlicher Intelligenz auseinandersetzen«, ruft Pichai seinen 1200 Zuhörern zu. »Es ist eine großartige Zeit, um Ingenieur zu sein.«
2. Besser Arbeiten im digitalen Zeitalter
Der Applaus ist gerade verhallt, als Sundar Pichai vor dem Hauptgebäude der TU Berlin in einen kleinen Bus steigt und an Siegessäule und Brandenburger Tor vorbei nach Berlin-Mitte fährt. Sprach er eben noch über die Zukunft der Künstlichen Intelligenz, formuliert er nun im neuen Büro von Google an der Museumsinsel seine Gedanken zur Zukunft der Arbeit. Und dabei ist er nicht allein: Gemeinsam mit Vertretern der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und den IHKs Düsseldorf sowie München und Oberbayern gibt Sundar Pichai den Startschuss für die nächste Phase von Googles Bildungsoffensive.
»Google setzt sich dafür ein, dass jeder von den Möglichkeiten digitaler Technologien profitieren kann«, sagt Pichai. »Während meiner letzten Deutschland-Reise vor gut zwei Jahren habe ich ein neues Programm für digitale Bildung namens Google Zukunftswerkstatt angekündigt, an dem seither mehr als 500.000 Menschen in Deutschland teilgenommen haben. Ich freue mich, dass wir dieses Programm mit unseren Partnern ausbauen.«
Seit 2016 bietet Google auf zukunftswerkstatt.de kostenlose Trainings zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung an. Die Teilnehmer befassen sich unter anderem mit der Frage, wie sie online gefunden werden oder wie eine gute Marketingstrategie für das digitale Zeitalter aussieht. Diese Kurse werden in Zusammenarbeit mit den IHKs und ver.di nun weiterentwickelt und Unternehmen und Interessierten kostenlos zur Verfügung gestellt. »Die Digitalisierung von Geschäftsprozessen verändert die Arbeitswelt«, sagt Lothar Schröder, Vorstand von ver.di. »Es werden neue Qualifikationsanforderungen an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestellt. Unser Gemeinschaftsprojekt stellt sich diesem Anspruch und will einen Beitrag leisten, Qualifikationslücken zu identifizieren und zu schließen.«
3. Google in Berlin und in Deutschland
Einmal mehr steigt Sundar Pichai in den kleinen Bus, der ihn ins Regierungsviertel der deutschen Hauptstadt bringt. Der Austausch mit Politikern und Vertretern gesellschaftlicher Gruppen gehört zu seinem Alltag. Die Digitalisierung wird schließlich von Menschen für Menschen angetrieben, der technische Fortschritt ergibt nur Sinn, wenn er von allen verstanden und begleitet wird. So betrachtet ist Sundar Pichais Tag in Berlin ein Tag des Zuhörens und Austauschs: Innovation und Weiterentwicklung fruchtet nur dort, so Googles CEO, wo Menschen über Grenzen und Disziplinen hinweg zusammenarbeiten.
Nicht zuletzt deshalb hat Pichai gemeinsam mit den deutschen Google-Kollegen mehr als 250 Menschen zur offiziellen Eröffnung des Büros an der Tucholskystraße geladen. Schon am frühen Abend erkunden die ersten Besucher das umgebaute Haus mit der reichen Geschichte — auf dem Gelände waren einst das Haupttelegraphenamt und das Fernmeldeamt untergebracht, die Zentralen des beginnenden Kommunikationszeitalters.
Im Jahr 2019 symbolisiert die Adresse den Stellenwert, den der Standort Deutschland für Google hat. 130 Googler arbeiten hier an digitalen Projekten, weitere 170 könnten in absehbarer Zeit hinzukommen. »Mit dieser neuen Bürofläche können wir die Anzahl der Googler, die hier in Berlin arbeiten, mehr als verdoppeln«, erklärt Sundar Pichai seinen Gästen, zu denen Staatsministerin Dorothee Bär und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller zählen.
Insgesamt arbeiten in Europa, im Nahen Osten und in Afrika 16.000 Menschen für Google. Allein an den vier deutschen Standorten München, Frankfurt, Hamburg und Berlin sind es 1400. »Viele der wichtigsten Produkte von Google, darunter auch einige unserer globalen Tools zum Schutz der Privatsphäre, wurden von unseren deutschen Ingenieuren entwickelt«, betont Sundar Pichai.
Doch immer wieder verwenden die Googler ihr Wissen auch in Partnerschaften mit Initiativen oder mit kulturellen Einrichtungen. Im Rahmen des Projekts Google Arts & Culture werden seit Jahren die Bestände großer Museen auf der ganzen Welt digitalisiert. So kann heute jeder von seinem Computer aus Werke aus dem Louvre in Paris oder aus dem Prado in Madrid besichtigen.
Viele der wichtigsten Produkte von Google, darunter auch einige unserer globalen Tools zum Schutz der Privatsphäre, wurden von unseren deutschen Ingenieuren entwickelt.
Sundar Pichai CEO von Google
Oder aus den Staatlichen Museen von Berlin, gleich gegenüber dem neuen Google-Büro. Hermann Parzinger leitet als Präsident die Berliner Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu der diese Museen gehören. Er kommt zu Sundar Pichai auf die Bühne und präsentiert den Gästen die Fotografie des Gemäldes »Die Verkündigung an Maria« von Piero del Pollaiuolo. Das Bild wurde von Google mit einer extrem leistungsfähigen Kamera aufgenommen und digital verfügbar gemacht. So werden selbst kleinste handwerkliche aber auch bildliche Details sichtbar, die selbst erfahrene Kuratoren vor diesem Arbeitsschritt nicht wahrgenommen haben. Die noch junge Nachbarschaft in Berlins Zentrum trägt also bereits Früchte und soll nach dem Willen von Sundar Pichai noch viele weitere Früchte tragen — bis weit über die Grenzen der Hauptstadt hinaus.
Fotografie: Markus Mielek (2), Google Inc., Lars Huebner (5)