»Wir wollen hin zu einer Umgebung, die maximale Sicherheit bietet«
Mithilfe einer Multi-Cloud will Markus Richter, IT‑Beauftragter der Bundesregierung, die Digitalisierung der Verwaltung beschleunigen. Eine Vielzahl von Anwendungen unterschiedlicher Anbieter soll künftig zentral verfügbar sein – und einen noch besseren Schutz der Bürgerdaten gewährleisten
Herr Richter, die Bundesregierung möchte künftig mehr Daten der Verwaltung in der Cloud speichern und verarbeiten. Was planen Sie konkret?
Die von Bund und Ländern verabschiedete Strategie sieht vor, dass wir eine sogenannte Multi-Cloud implementieren, in der viele verschiedene Anwendungen unterschiedlicher Anbieter gebündelt sind. Im Herbst haben wir daher in einem Pilotprojekt eine Koordinierungsstelle eingerichtet und einzelne Dienste getestet.
Was versprechen Sie sich von einer solchen Multi‑Cloud?
Wir schaffen Auswahlmöglichkeiten, wahren den Wettbewerb und profitieren von Innovationen. Da die Dienste auf verschiedenen Cloud‑Plattformen laufen, können wir schnell und kostengünstig eine Vielzahl von Arbeitsplätzen ausstatten. Zugleich hilft uns die Multi-Cloud, von vielen kleinen Rechenzentren wegzukommen hin zu einer Umgebung, die maximale Skalierbarkeit und Sicherheit bietet.
»Wir schaffen Auswahlmöglichkeiten, wahren den Wettbewerb und profitieren von Innovationen. Da die Dienste auf verschiedenen Cloud-Plattformen laufen, können wir schnell und kostengünstig eine Vielzahl von Arbeitsplätzen ausstatten«
Markus Richter, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik
Wie gewährleisten Sie diese Sicherheit?
Sämtliche Anwendungen müssen die Anforderungen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik erfüllen. Natürlich ist dabei auch der europäische Rechtsrahmen einzuhalten. Zudem bietet die Multi-Cloud die Möglichkeit, Daten und Programme von einem Speicherplatz zu einem anderen zu verschieben, falls die Situation das einmal erfordern sollte.
Welche Aufgabe hat die von Ihnen erwähnte Koordinierungsstelle?
Sie ist die Spinne im Netz. Wenn eine Behörde in Deutschland einen Bedarf für einen IT-Service hat, wendet sie sich an die Koordinierungsstelle. Diese fragt zunächst im Verbund der öffentlichen Dienstleister, ob jemand diesen Bedarf decken kann. Ist das nicht der Fall, wird der Service ausgeschrieben. Derzeit werten wir die Ergebnisse des Pilotprojekts aus und gehen danach in die Umsetzung.
Bislang hinkt Deutschland, was die Digitalisierung der Verwaltung angeht, seinen Zielen hinterher: Von 600 Leistungen, die laut Onlinezugangsgesetz bis Ende 2022 komplett digitalisiert sein sollten, war zum Stichtag nicht einmal die Hälfte verfügbar.
Es ist richtig, dass wir das gesteckte Ziel nicht erreicht haben. Trotzdem muss man festhalten, dass wir gerade in den letzten Monaten deutliche Schritte nach vorne gegangen sind: Ummeldung, Bauantrag, BAföG – zahlreiche Leistungen, die viele Menschen betreffen, sind mittlerweile online verfügbar. Wir stellen fest, dass es beim Ausrollen weniger um Technik geht als vielmehr um Change Management. Die Prozesse müssen angepasst werden, und das ist ein dickes Brett.
Wann wird denn die Multi-Cloud in Betrieb gehen?
Im Laufe dieses Jahres werden wir erste Ausschreibungen starten. Es gibt jedoch keine Stunde null, zu der alles gleichzeitig startet. Es wird vielmehr ein Prozess sein, dessen genauen Zeitplan wir noch erarbeiten müssen. Aktuell ist der Markt stark in Bewegung, und die großen Anbieter haben noch einige Hausaufgaben zu erledigen.
Sie spielen auf das Thema »Souveränität« an. Was verstehen Sie darunter und warum ist sie so wichtig?
Souveränität ist die Grundvoraussetzung. Ich bin froh, dass aktuell zwischen der EU-Kommission und den USA entsprechende Abstimmungen laufen. Die neue Presidential Order trägt den europäischen Anforderungen bereits Rechnung. Unternehmen wie Google, Microsoft oder Amazon empfehle ich, sich ebenfalls abzustimmen, was Schnittstellen beziehungsweise Standards anbelangt. Für uns ist aber wichtig, dass Open Source eine große Rolle spielen wird.
Was wird die Multi-Cloud die Bürgerinnen und Bürger kosten?
Das Modell sieht vor, dass die Anbieter den Aufbau selbst vornehmen und wir über Lizenzen Abrufe starten. Wir ziehen also kein Rechenzentrum hoch, in das wir die Cloud einbauen lassen. Die genauen Kosten hängen stark davon ab, wie groß der konkrete Bedarf an Services und Infrastruktur sein wird. Dafür werden wir noch Abfragen bei den Ländern und auch auf Bundesebene machen.
Fotos: Lena Giovanazzi