Die Welt im Blick
Der Columbus Verlag aus Krauchenwies ist die älteste noch produzierende Globus-Manufaktur der Welt. Dank konsequenter Digitalisierung schaffen es die Weltkugeln heute bis nach Japan
Auf der Schwäbischen Alb ist die Erschaffung der Welt noch immer Handarbeit. Zwölf Segmente aus Spezialpapier — am unteren Ende jeweils mit einem kleinen Stückchen Südpol versehen — schmiegen sich gut geleimt an eine mundgeblasene Kristallglaskugel. Überlappen dürfen sie sich gerade so, dass die Schatten fein wie Längengrade aussehen. Zur Not helfen eine spitze Schere und eine ruhige Hand.
Nach diesem Grundprinzip baut der Columbus Verlag seit mehr als 110 Jahren Globen. Etwa 80 verschiedene Modelle entstehen heute in Serienproduktion. Der kleinste Globus misst im Durchmesser zwölf Zentimeter, der größte zwei Meter. Für Entdeckertypen gibt es die Welt in Brauntönen, für Puristen gibt es sie ganz in Weiß, für Freunde der gehobenen Einrichtung auf einem Gestell aus 400 Jahre alter Mooreiche. Und wer es glitzernd mag, lässt Highlights mit Schmucksteinchen setzen.
„Personalisierung ist immer stärker gefragt“, sagt Torsten Oestergaard, der das Unternehmen in vierter Generation führt. „Inzwischen stellen wir 200 Globen im Monat nach individuellen Vorgaben her. Kunden können zum Beispiel jede beliebige RAL- oder Pantone-Farbe wählen. Wenn sich jemand seinen Globus passend zum grünen Sofa wünscht, dann machen wir auch den.“ Diese Form der Individualisierung, in Kombination mit hoher Verarbeitungsqualität und innovativen Ideen, hilft dem Columbus Verlag, sich von der billigen Konkurrenz aus China abzusetzen.
Wenn sich jemand seinen Globus passend zum grünen Sofa wünscht, dann machen wir auch den.
Torsten Oestergaard Geschäftsführer Columbus Verlag
Einen zusätzlichen Schub erfuhr die Unternehmensentwicklung als vor vier Jahren Niklas Oestergaard einstieg, Torsten Oestergaards Sohn. Der junge Unternehmer setzt konsequent auf Digitalisierung — bei internen Prozessen, im Vertrieb und beim Produkt selbst. Die Globen aus Krauchenwies können heute mit Smartphones und anderen Bluetooth-Geräten kommunizieren. Mithilfe einer App lässt sich zum Beispiel eine „vierte Dimension“ um die Kugel legen, in der Wetterdaten und Satellitenbilder sichtbar werden. Ein eigens konzipierter Entdeckerstift kann über ein Tablet Audiostücke und Video abspielen, sobald er sich der Globusoberfläche nähert. Auf YouTube pflegt Columbus einen eigenen Kanal, in dem Videos verlinkt und regelmäßig aktualisiert werden. „Während ein Internetnutzer mit Google meist etwas Bestimmtes sucht, kann derjenige, der auf einen Globus schaut, spontan etwas entdecken“, sagt Torsten Oestergaard. Seine Käufer können die Welt bewundern und in sie eintauchen, können mit den digitalen Erweiterungen Zahlen und Fakten erkunden oder gar Nationalhymnen oder Märchen aus fremden Kulturen hören.
Mittlerweile hat Columbus ein Tonstudio eingerichtet und eine Sprecherin eingestellt. Mehrere Informatiker sind zum Team gestoßen. Das Unternehmen wird digitaler und stellt sich immer neu auf die Bedürfnisse der Kunden ein. Auch beim Onlinemarketing hat der Columbus Verlag deshalb nachgelegt. Ein neuer Mitarbeiter kümmert sich darum, Kunden im Internet zu erreichen: Die Produkte werden ausführlich beschrieben, ein Blog wird gepflegt. Das Haus kann online zudem auf eine gewisse Tradition verweisen: Schon seit 1999 pflegen die Globenbauer einen eigenen Webshop. „Damals wusste keiner, in welche Richtung das gehen wird“, erinnert sich Torsten Oestergaard. „Selbst Fachleute waren skeptisch, wie uns überhaupt jemand im Internet finden sollte. Suchmaschinen kamen damals ja gerade erst auf.“
Heute findet jeder, der nach einem Globus sucht, zügig zu Columbus. Die Kunden leben in Frankreich, Amerika, Russland, Mexiko oder Japan. „Durch Onlinemarketing erschließen wir Märkte, die wir anders nie erreichen würden“, sagt Torsten Oestergaard. Jeden Tag neu findet die Welt nach Krauchenwies — und der Globus in die Welt.
Fotografie: Felix Brüggemann