Datensammler
Das Auswerten von Informationen gehört für viele Menschen zum Alltag. Vier Beispiele
Damit der Landarzt besser helfen kann
Dr. Thomas Aßmann arbeitet als Hausarzt in der oberbergischen Gemeinde Lindlar. Diagnosen stellt er unter anderem im Videochat – nachdem seine Assistentin vor Ort beim Patienten Blutdruck und Lungenfunktion gemessen hat
»Ich arbeite auf dem Land. Für manche Hausbesuche, die vielleicht nur zehn Minuten dauern, bin ich eine Stunde und länger im Auto unterwegs. Das ist Zeit, in der ich mich lieber um meine Patienten kümmern würde. Für viele Messungen ist nämlich gar kein Arzt nötig. Im Herbst 2015 startete ich deshalb das Telemedizinprojekt in unserem Landkreis. Seitdem muss ich meine Patienten nicht mehr selbst besuchen. Eine medizinische Versorgungsassistentin fährt zu den Menschen und untersucht sie.«
Ich gewinne Zeit für meine Patienten
Dr. Thomas Aßmann Hausarzt
»In ihrem Telemedizinrucksack hat sie ein EKG- und Blutdruckmessgerät, ein Pulsoximeter, mit dem sie die Sauerstoffsättigung im Blut misst, einen Lungenfunktionstest und eine Waage – weil Patienten mit Herzschwäche Wasser in den Beinen einlagern. Die Daten werden direkt vom iPad in die Patientenakte eingespielt. Ich sehe mir die Werte an und mache mir per Videochat ein Bild des Patienten: Ist er blass oder hat er blaue Lippen? Lacht er? Sieht er gesund aus? So kann ich aus der Ferne meine Diagnose stellen, und der Patient fühlt sich trotzdem nicht alleingelassen. Ich glaube fest an das Projekt, weil auf dem Land der Ärztemangel immer schlimmer wird. Mit dem Prinzip Telemedizin und der Datenerfassung durch meine Mitarbeiter gewinne ich Zeit für meine Patienten.«
Damit genug Brot in den Regalen liegt
Sonja Laböck, Bäckermeisterin, Konditorin und Brotsommelière, führt mit ihrem Mann die Münchner Brotmanufaktur Schmidt. Konsequente Datenanalyse hilft ihr, die Qualität zu halten
»Wir legen nach wie vor großen Wert auf das Wort ›Manufaktur‹ in unserem Namen. Unsere Brote werden jeden Tag von Hand geformt, so wird der Teig schonender verarbeitet. Die moderne Technik allerdings, besonders die Auswertung von Daten, erleichtert uns die ganze Logistik. Wir bestellen unsere Rohstoffe nach Bedarf. Dafür werden in unseren zehn Filialen in München die Tagesbestellungen direkt am Kassenterminal eingegeben. Alle Zutatenbestände erfassen wir digital. Die Mehlbehälter stehen auf Wiegezellen, die den aktuellen Füllstand anzeigen. In unserem Büro ermitteln wir aus den Mengen vom Vortag und im Vergleich mit einem entsprechenden Tag der Vorwoche Produktionsmengen für den folgenden Tag. Im Abgleich mit unseren Zutatenbeständen sehen wir dann, welche Bestellungen wir aufgeben müssen. Je nach Mehlqualität können wir die Knetzeiten per Programm ändern, um das optimale Ergebnis zu erzielen. Auf einem eigens erstellten Teigruheplan sehen unsere Mitarbeiter, wann sie anfangen dürfen, die Brote zu formen, sodass sich das Aroma optimal entwickeln kann. Auch bei der Einsatzplanung für unsere Mitarbeiter sind Daten wichtig. Bevor wir Saisonwaren wie Wiesnherzerl produzieren, werten wir die Personalpläne aus und ermitteln freie Zeiten. So lasten wir die Produktion optimal aus, produzieren keine Überstunden und überfordern unsere Mitarbeiter nicht.«
Damit wir unser Wetter verstehen
Nicole Rösler, Ortsvorsteherin von Rossow in Nordbrandenburg, betreibt seit sieben Jahren eine private Wetterstation
»Meine Wetterstation steht bei mir im Garten in zwei Meter Höhe – das ist die Norm des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Ich zeichne neben Temperatur, Luftdruck und Niederschlag auch Windrichtung und -geschwindigkeit, Solarstrahlung, UV-Index, Luftfeuchte, Windböen und Blattfeuchte, Bodentemperatur und -feuchte auf. Letzteres ist im Sommer praktisch, weil ich dann weiß, ob ich gießen muss. Per Funk werden die Daten an meinen Computer gesendet. Ein Auswertungsprogramm sammelt die Informationen, erstellt Monats- und Jahresgrafiken und veröffentlicht die Ergebnisse automatisch auf der Webseite rossow-wetter.de. Zusätzlich schreibe ich die Daten mit der Hand in mein Wettertagebuch. Oft fallen mir dabei Veränderungen auf. Interessant finde ich Beobachtungen in der Tier- und Pflanzenwelt wie Blütezeiten oder Zug- und Brutverhalten von Vögeln, die der DWD sammelt. Dafür braucht er Freiwillige wie mich. Seit 2011 zeichne ich auf, wann bestimmte Bäume und Pflanzen blühen oder ihre Blätter verlieren. So werden die sogenannten phänologischen Jahreszeiten definiert. Der Frühsommer beginnt, sobald der Schwarze Holunder blüht. Der Winter startet mit dem Blattfall der Apfelbäume. Manche Eindrücke, etwa dass der Winter immer später beginnt, bestätigen sich dann: 2016 begann er nach phänologischen Kriterien mehr als drei Wochen später als 2011.«
Damit sich Schiffe nicht im Weg stehen
Sebastian Saxe, Chief Digital Officer bei der Hamburg Port Authority, sorgt mit Daten für eine bessere Auslastung des Hafens. Außerdem schont er Straßen
»Der Hamburger Hafen kann durch seine Lage tief im Binnenland und nahe dem Hamburger Stadtzentrum mit etwa 7200 Hektar Fläche nicht beliebig wachsen. Aber wir können die Nutzung der Verkehrswege optimieren und zum Beispiel die Containerschiffe mit optimaler Geschwindigkeit durch den Hafen leiten. Luft- und Lärmdaten, Tiefenmessungen und Schiffspositionen werden schon lange aufgezeichnet. Heute können wir dieses Wissen über die Cloud verknüpfen und mit Big Data auswerten. Vor vier Jahren haben wir das Projekt smartPORT gestartet. 800 Sensoren im gesamten Hafen erfassen Pegelstände oder das Gewicht von Lkw.«
Die Sensoren helfen bei der Steuerung der Schiffe
Sebastian Saxe Chief Digital Officer bei Hamburg Port Authority
»Auf der Köhlbrandbrücke zum Beispiel sind pro Lkw 40 Tonnen Ladung zugelassen. Durch Messungen wissen wir, dass einige LKW schwerer beladen unterwegs sind – die Brücke nutzt sich schneller ab. Heute ist deshalb nur noch eine Fahrspur für Lkw freigegeben. Aber auch bei der Steuerung der Schiffe helfen die Sensoren. Sobald ein Containerschiff in Hamburger Hoheitsgewässer fährt, werden sein Signal und die Daten der Radarausleuchtung aufgezeichnet, woraus die nautische Zentrale hilfreiche Informationen gewinnt und diese an die Hafenlotsen weitergibt. Das ist vor allem bei sehr großen Schiffen wichtig, denn ab 60 Meter Breite können sie in der Elbe nur an manchen Stellen aneinander vorbeifahren. Durch Fahrpläne, die auf Sensoren basieren, können wir diese Begegnungsboxen optimal auslasten – natürlich auch unter Einbeziehung von Ebbe und Flut.«
Fotos: Monika Höfler (Sonja Laböck), Thekla Ehling (Dr. Thomas Aßmann), Sarah Beckhoff (Nicole Rösler), Heinrich Holtgreve (Sebastian Saxe)