»Wer programmieren kann, kann die Zukunft mitgestalten«
App Camps bringt mit kostenlosen Unterrichtsmaterialien Informatik und Medienbildung in die Schulen. So begeistern sich immer mehr Kinder und Jugendliche für digitale Themen
In diesem Punkt sind sich Politiker einig: Programmieren sei »so wichtig wie Lesen und Schreiben«, sei die »Fremdsprache der Zukunft« und die »vierte Kulturtechnik«. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) möchte sogar, dass alle Schülerinnen und Schüler seiner Stadt schon in der Grundschule Coden lernen. Dazu hat er 250 000 Euro für ganze Klassensätze des Mikrocomputers Calliope bereitgestellt.
Diana und Philipp Knodel hatten weder auf Geld noch auf die Politik gewartet, als sie im Jahr 2013 App Camps gründeten. Mit ihrem Nonprofit-Start-up bringt das Ehepaar sein Know-how übers Coden in Eigeninitiative in die Schulklassen. Sie entwickeln Unterrichtsmaterialien, mit denen Lehrer Schülern ab der dritten Klasse in acht Doppelstunden die Grundlagen des Programmierens beibringen können. Alle Lehrvideos und Lernkarten waren, sind und bleiben kostenlos.
Alle Kinder sollen programmieren können, unabhängig vom Geschlecht und sozialer Herkunft
Was mit einem kleinen Sommercamp für Mädchen 2013 begann, wuchs zu einem großen Mitarbeiterteam heran und erreicht mittlerweile pro Schuljahr mehr als 100 000 Schüler in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ihrem idealistischen Ziel kommt die Hamburger Initiative dabei immer näher. Alle Kinder sollen programmieren lernen können, unabhängig vom Geschlecht und sozialer Herkunft. »Denn wer programmieren kann, kann die Zukunft mitgestalten«, so der App-Camps-Slogan.
Genau deshalb fördert App Camps mit Events weiterhin auch speziell Mädchen, aktuell etwa beim Mädchen Digital Club in den Räumen der Google Zukunftswerkstatt in Hamburg. Und genau deshalb fordern sie, dass Coden fester Bestandteil in der Schule sein soll statt nur ein Angebot für die Kinder motivierter Eltern.
»Wir beobachten, dass sich politisch nun einiges bewegt«, sagt Philipp Knodel. Zusammen mit der Körber-Stiftung führte App Camps ein Pilotprojekt mit Calliope-Computern an den Hamburger Schulen durch. Geplant war der Start mit zehn Schulen. Aufgrund der starken Nachfrage wurden es gleich 20. Noch im laufenden Schuljahr will die Schulbehörde jetzt 15 000 Mikrocontroller an Grund- und Stadtteilschulen sowie an Gymnasien verteilen. Mit Lernmaterialien, an deren Entwicklung App Camps beteiligt ist, können dann bereits Viertklässler lernen, wie sie ein Schnick, Schnack, Schnuck-Spiel für Calliope programmieren oder der besten Freundin ein LED-Herz senden.
Auf neue Fachlehrer können Schüler nicht warten
Auch andere Bundesländer planen, Informatik in den Stundenplan zu integrieren. Damit stellt sich das nächste Problem: Es gibt zu wenig Fachlehrer, und die Ausbildung braucht Zeit. So lang können die Schülerjahrgänge, die jetzt schon Coden lernen sollen, aber nicht warten. App Camps startete daher gemeinsam mit dem digitalen Weiterbildungszentrum Fobizz im Mai 2019 die erste Online-Lehrerfortbildung. In einem achtwöchigen Programm erwerben die ersten 40 Teilnehmer die Zusatzqualifikation in Informatischer Grundbildung. Nur ein Bruchteil derer, die willens wären, wie Philipp Knodel weiß: »Für dieses Pilotprojekt hatten wir mehr als 500 Bewerber.«
Inzwischen kann man mit App Camps nicht mehr nur Programmieren lernen. Es gibt auch Unterrichtsblöcke zur Medienkompetenz, in denen Kinder lernen, wie Algorithmen funktionieren, was Daten sind und wie man sie nutzt und schützt. Im Block »Künstliche Intelligenz und Machine Learning« bauen sie ihren eigenen Bot, der Fragen beantwortet, und reflektieren, was Automatisierung für die Gesellschaft bedeutet. Das sind Themen, mit denen sich auch die meisten Eltern zum ersten Mal beschäftigen.
Fotografie: App Camps; Illustration: Birgit Henne