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»Wir sind ein Museum der Inspiration«

Auf der Spur großer Erfindungen: Das Deutsche Museum macht mit Google Arts & Culture seine Sammlung auf neue Weise zugänglich – und fördert die Erfinder von morgen. Ein Gespräch mit Generaldirektor Wolfgang M. Heckl

Herr Heckl, weshalb ergibt es Sinn, das Deutsche Museum online zu erkunden?

Nicht jedes Kind aus Indien oder Argentinien kann einfach so ins Deutsche Museum reisen und den Gleitflieger von Otto Lilienthal in ­seinen Ausmaßen sehen und begreifen. Der virtuelle Rundgang ist ein toller Ersatz.

Sie haben in Zusammenarbeit mit Google Arts & Culture erhebliche Teile Ihrer Sammlungen online verfügbar gemacht. Das neueste Projekt heißt »Once Upon a Try«, zu Deutsch etwa »Es war einmal ein Versuch«. Was hat es damit auf sich?

Das Projekt macht Erfindungen aus der ganzen Welt sichtbar, die uns geprägt ­haben. Wir vom Deutschen Museum zeigen zum Beispiel die Verschlüsselungsmaschine Enigma oder Kraftmaschinen wie Windmühlen oder die ­erste Ventil-Kolbendampfmaschine. Oder den Fischer-Dübel, erfunden von ­Artur Fischer.

Fast 1,5 Millionen Menschen besuchen jedes Jahr das Deutsche Museum, eines der größten Wissenschafts- und Technikmuseen der Welt. Onlinebesucher, so Generaldirektor Wolfgang M. Heckl, sind nicht mitgezählt.

Was macht eine gute Erfindung aus?

Gute Erfindungen kommen in der Gesellschaft an und dienen dort dem Wohl der Menschen.

Das bedeutet?

Ich kann die beste Erfindung machen – wenn sie keiner braucht, keiner benutzt, dann ist es keine Erfindung im eigentlichen Sinn. Oskar von Miller gründete das Deutsche Museum als Museum für »Meisterwerke der Naturwissenschaft und Technik«. Das Wort Meisterwerke bedeutet aus meiner Sicht, dass eine Erfindung einen Meister im Ideengeber gefunden hat – und auch einen Meister in demjenigen, der es verwenden will.

Verstehe. Sie betonen, dass jede gute Erfindung ein Problem löst?

So ist es. Es geht mir um den gesellschaft­lichen Effekt von Erfindungen: Sie können ­unser Leben verbessern, sodass wir fliegen können oder Nachrichten verschlüsseln oder menschliche Kraftanstrengung in unserem Alltag reduzieren.

So betrachtet ist das Deutsche Museum ein Erfindermuseum.

Ja, wir zeigen die gesamte Wertschöpfungskette von der Entdeckung über die Erfindung bis zur marktlichen Umsetzung.

Seit 2004 ist Wolfgang M. Heckl Generaldirektor des Deutschen Museums. Seine wissenschaftliche Arbeit übt er unter anderem auch als Professor an der LMU München im Bereich Wissenschaftkommunikation aus.

»Once Upon a Try« huldigt nicht nur den Erfindungen, sondern auch ihren Entwicklern. Was zeichnet diese Menschen aus?

Unter anderem Leidenschaft und Glück.

Glück?

Wer hat die Glühbirne erfunden?

Thomas Edison, nach meinem Wissen.

Online werden Sie schnell ­viele weitere Namen finden und sehen, dass schon der bayerische König Ludwig II. um das Jahr 1880 seinen Schlitten und Schloss ­Linderhof mit Glüh­birnen beleuchtete. Thomas Alva Edison war allerdings derjenige, der es schaffte, die marktliche Umsetzung vor­zunehmen. Natürlich war er ein kluger Mann. Aber es bedurfte einer ­Reihe glücklicher  Umstände, die ihn zum wahren Erfinder werden ließen.

Im Deutschen Museum habe ich mir meine Inspiration geholt

Arthur Fischer

Lässt sich Erfinden vermitteln?

Wir versuchen es, unter anderem mit Bastelkursen für Kinder hier im Deutschen Museum. Wir wollen sie auf die Spur des Tüftelns bringen, auf der schon viele vorher unterwegs ­waren. Jugendliche begeistern wir in unseren Experimentierlaboren zur Bio- und Nanotechnologie oder im gemeinsam mit der TU betriebenen TUMlab. Das Deutsche Museum ist der Ausgangspunkt für viele Karrieren im naturwissenschaftlich-technischen Bereich.

Artur Fischer, Sie hatten ihn schon erwähnt, erfand den gleichnamigen Dübel und meldete Zeit seines Lebens mehr als 1000 Patente an. Er war Ihrem Haus eng verbunden. Weshalb?

Fischer war ein großer Mäzen des Deutschen Museums. Bei jeder Rede hier in München erwähnte er, dass es in seinem Leben zwei wichtige Orte gebe. Der eine sei das Deutsche Patentamt, bei dem er – und darauf war er stolz – mehr Erfindungen patentieren ließ, als es Thomas Edison Zeit seines Lebens schaffte. Der andere Ort lag für Fischer gleich gegenüber dem Patentamt auf der anderen Straßenseite: das Deutsche Museum. »Dort habe ich mir meine Inspirationen geholt«, sagte ­Fischer. Ähnliches äußerte Rudolf Mößbauer: »Ich wäre doch nicht Physiker und Nobelpreisträger geworden, wenn mich mein Vater nicht im Alter von fünf Jahren ins Deutsche Museum geführt hätte.« Die berufsstiftende Wirkung des Deutschen Museums kann nicht hoch genug geschätzt werden, glaube ich. Wir sind, nicht ­zuletzt, ein Museum der Inspiration.

Den Versuch wagen

Mehr zum Projekt »Once Upon a Try« findet sich online auf g.co/onceuponatry. Das Deutsche Museum lässt sich online auf deutsches-museum.de erkunden.

Fotografie: Deutsches Museum (1), Constantin Mirbach (3)

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