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Mein digitales Cockpit

Mit dem Smartphone durch den Alltag: Yvonne, Roy und Sunique berichten, wie sie digitale Anwendungen für sich nutzen

Yvonne, 42, hat ihr Nagelstudio digitalisiert: Neue Designs präsentiert sie auf Instagram, Termine reservieren Kundinnen und Kunden online. Ihre Bank sieht sie lediglich beim Einzahlen der Tageseinnahmen

»Das erste, was ich morgens nach dem Aufstehen mache, ist, meine Termine für den Tag zu checken: Haben Kundinnen oder Kunden abgesagt? Soll womöglich ein Termin verschoben werden? Ich bin ­Inhaberin eines Maniküre- und Pediküresalons in Berlin-Prenzlauer Berg; meinen Laden manage ich inzwischen komplett über Tablet und Smartphone.

Das fängt bei den Terminen an, die Kundinnen und Kunden seit Anfang des Jahres online buchen können. Ich habe mich lange gegen diesen digitalen Kalender gewehrt, weil ich dachte, dass ich mit ihm die Kontrolle über mein Leben verliere. Das klingt blöd, ich weiß, aber so war es eben. Im Laden hatte ich jahrelang einen dicken Kalender, mit Bleistift trug ich dort die Termine ein. Sagte eine Kundin ab, radierte ich ihren Namen aus. Doch als immer mehr Kundinnen fragten, ob sich Termine nicht auch einfacher vereinbaren ließen, entschloss ich mich, online zu gehen. Heute weiß ich: Ich hätte es viel früher machen sollen. Mein Arbeitsalltag ist so viel einfacher geworden. 79 Apps habe ich auf meinem Handy, die Spiele für meine beiden Kinder nicht mitgezählt.

Mein Smartphone nutze ich als Privatperson und als Geschäftsfrau. In den sozialen Netzwerken habe ich Accounts wie @studio_yvonne_b, wo ich zum Beispiel neue Shellac-Designs präsentiere. In eine Bankfiliale gehe ich nur noch, um die Einnahmen des Tages auf das Geschäftskonto einzuzahlen. Den Rest erledige ich über die App meiner Bank. Kundinnen können bei mir mit EC-Karte bezahlen, auch das funktioniert über eine App. Diese zeigt mir auch an, wie hoch der aktuelle Monatsumsatz ist.

Bestelle ich neue Nagellacke, Gele oder UV-Geräte, bitte ich die Händler, mir die Rechnung über PayPal zu schicken. Ich muss dann nur auf einen Link klicken, zack, fertig. Klassische Einzugsermächtigungen oder Überweisungen, für die ich extra Formulare aufrufen muss, sind mir inzwischen zu aufwendig. In der Regel bin ich den Tag über durchgehend beschäftigt. Ein Grund, weswegen ich lieber telefoniere, als Nachrichten zu schreiben. Die Zeit, viel Text zu tippen, habe ich einfach nicht. Ruft eine Kundin an, um einen Termin zu vereinbaren, bitte ich anschließend meinen digitalen Sprachassistenten, diesen im Kalender zu vermerken.

Weil ich mein Smartphone durchgehend brauche, habe ich immer einen externen Akku in der Handtasche – ich kann es mir nicht er­lauben, offline zu sein. Einmal war der Bildschirm schwarz, nichts ging mehr. Da wurde ich nervös. Wenn mein Telefon nicht funktioniert, funktioniert mein Leben nicht.«

Roy, 31, lässt sich von digitalen Programmen durch den Tag begleiten: Familie, Beruf und sein Engagement in der zweiten Volleyball-Bundesliga organisiert er mit zwei Smartphones

»Ich habe zwei Smartphones, eines davon ist mein Dienst-Handy. Auf meinem privaten Telefon habe ich 49 Apps, von denen ich aber nur 30 nutze. Der Rest war vorinstalliert. Morgens verwende ich als Erstes Facebook und suche dann mit Google aktuelle Sportergebnisse, zum Beispiel Football in Nordamerika – die meisten Spiele finden dort statt, wenn wir schlafen, in der Nacht von Sonntag auf Montag.

Ich arbeite als Techniker für Sicherheitsanlagen und pendle jeden Tag von Taufkirchen nach Freising. Weil ich kein großer Radio-Fan bin, höre ich während der 45 bis 60 Minuten Autofahrt lieber Hörbücher mit der App von Audible. Die Reihe Die Zwerge von Markus Heitz habe ich zwar schon gelesen, finde aber den Sprecher Johannes Steck so gut, dass ich sie gerade noch einmal durchhöre. In meiner Freizeit spiele ich seit Jahren Volleyball, früher professionell in der ersten Bundesliga, inzwischen in der zweiten. Wenn wir mit dem Bus zu Auswärtsspielen fahren, nehme ich mir auf dem Kindle immer Bücher mit – ­meistens hänge ich aber am Smartphone und zocke Gardenscapes oder gucke über die Amazon-Prime-App Filme und Serien.

E-Mails schreibe ich vor allem in der Arbeit, privat nutze ich meistens WhatsApp. Für den Sport bin ich in mehreren Gruppen-Chats, in denen wir ausmachen, wann und wo das nächste Training stattfindet oder wann der Bus zum Auswärtsspiel abfährt. Meine Frau und ich haben zwei Töchter, die zwei und fünf Jahre alt sind. Mit meiner Mutter und den Schwiegereltern verabreden wir uns manchmal zum Videotelefonieren über Facetime, so können die Kinder regelmäßig Oma und Opa sehen, obwohl sie weiter weg wohnen. Ich empfange immer häufiger Sprachnachrichten, tippe selbst aber lieber und achte dabei auf Rechtschreibung und Groß- und Kleinschreibung, was heute nicht mehr ganz so selbstverständlich ist. Wenn es dringend ist, rufe ich lieber an.

Meine Kalender führe ich nur noch digital, die beruflichen Termine habe ich auf dem Arbeitshandy, die privaten verwalte ich auf meinem privaten Telefon. Meine Frau und ich nutzen die App TimeTree: Dort können wir beide Termine eintragen, auch für unsere Kinder, etwa die Turnstunden oder Arzttermine. Das ist sehr praktisch, das Handy hat man ja immer dabei. Dass wir nebenbei und unterwegs Bankgeschäfte und Einkäufe erledigen können, macht unseren Alltag sehr viel einfacher. Wir erfahren auch, wie es ist, wenn die Technik mal nicht funktioniert. Im Sommer waren wir auf Mittelmeerkreuzfahrt, als sich mein Handy ausschaltete. Ich gab dreimal die falsche PIN ein und wusste den PUK nicht. In den acht Tagen ohne Smartphone wurde mir bewusst, wie sehr ich es gewohnt bin, jederzeit alles nachsehen zu können.

Sunique, 18, nutzt digitale Anwendungen in der Schule und zur Unterhaltung: Mit Netflix streamt sie Serien, neue Aufgaben bespricht ihre Klasse im Messenger. Nur die Schlaf-App war nichts

»Ganz ausgeschaltet ist mein Smartphone so gut wie nie. Wenn ich tagsüber in der Schule bin, ist es natürlich auf lautlos gestellt, ich will ja nicht den Unterricht stören. Auf WhatsApp haben wir eine Klassengruppe. Steht ein Referat an, machen wir eine neue Gruppe auf, die dann wieder geschlossen wird, sobald das Referat gehalten ist. Eine der 99 Apps, die ich auf meinem Smartphone habe, heißt ›Photomath‹ und wurde mir von meinem Mathelehrer empfohlen: Mithilfe der Anwendung kann ich Aufgaben abfotografieren, anschließend be­komme ich die Lösung und den Weg dorthin angezeigt. Wir sollen das ­natürlich nicht immer machen, das sagte unser Lehrer schon auch, aber wenn wir allein zu Hause sind und bei den Hausaufgaben nicht weiterkommen, kann das schon sehr nützlich sein.

Längere Hausaufgaben schreibe ich daheim auf dem PC, und auch Referate, die ich halten muss, tippe ich lieber, als dass ich sie per Hand aufschreibe. Die meisten meiner Lehrer wollen auch, dass wir ihnen Hausaufgaben oder Ähnliches per E-Mail schicken – dafür nutze ich dann eine meiner drei aktiven E-Mail-Adressen. Eigentlich habe ich noch mehr, aber zu ihnen fällt mir das Passwort nicht mehr ein.

Da wir zu Hause keinen Internetanschluss haben, benutze ich meinen PC ausschließlich für Textaufgaben. Netflix habe ich auf meinem Smartphone installiert, über die App schaue ich Serien und Filme, die ich mir vorher zur Offline-Nutzung heruntergeladen habe. Was mir aufgefallen ist: Wie ich mein Smartphone nutze, hängt vor allem davon ab, ob ich WLAN habe. Zu Hause, wo es ja kein Internet gibt, bin ich weder bei Instagram noch bei TikTok. Diese Apps verbrauchen einfach zu viel Datenvolumen. Bei meinem Freund hingegen gibt es WLAN, was ­bedeutet, dass ich dann ständig bei Instagram und so online bin.

Wenn ich kann, höre ich Musik: auf dem Weg zur Schule, in den Pausen, manchmal sogar im Unterricht. Das dürfen wir etwa, wenn wir still für uns arbeiten sollen – manche Lehrer erlauben uns, währenddessen über Kopfhörer Musik zu hören.

Meinen Zyklus überwache ich mit ›Clue‹, meinen Kontostand mit der App meiner Bank. Vor Kurzem habe ich eine App runtergeladen, die meinen Schlaf kontrollieren sollte: Wie oft ich mich umdrehe, ob ich schnarche, vielleicht sogar im Schlaf rede. Die Auswertung fand ich aber nicht sehr aufschlussreich – die App habe ich also direkt wieder gelöscht. Das mache ich nicht oft. Viele der Spiele, die ich installiert habe, spiele ich eigentlich nicht mehr. Allerdings denke ich mir: Man weiß ja nie – vielleicht wird eine Bahnfahrt unerwartet lange dauern, sodass ich froh sein werde, dieses eine Spiel doch zu haben.«

Fotografie: Felix Brüggemann, Eva-Maria Feikas; Icons: Birgit Henne

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