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25 Münchner Geschichten

Die Landeshauptstadt wird immer digitaler. Wer und was ist da gerade wichtig? Wir geben Ihnen einen kleinen Überblick

Im Isar-Valley

Viele Unternehmen befassen sich in München mit den Chancen der Digitalisierung. Claudia Linnhoff-Popien verfolgt diese Entwicklung von Berufs wegen aufmerksam – die Professorin hat den Lehrstuhl für Mobile und Verteilte Systeme am Institut für Informatik der Ludwig-Maximilians-Universität München. 2016 schuf Linnhoff-Po­pien gemeinsam mit der Landeshauptstadt München und Unternehmen wie KPMG, Flughafen München oder The Walt Disney Company die Netzwerkplattform Digitale Stadt München. Sie soll das digitale Ökosystem stärken und helfen, München zur IT-Metropole zu machen. »Wir haben hier viele Niederlassungen internationaler IT-Konzerne, hinzu kommen DAX-Unternehmen und kleinere Firmen. Diese geballte Power wollen wir nutzen«, so Linnhoff-Popien. »Unser Vorbild ist das Silicon Valley, wo sich auf engem Raum viele ­Menschen austauschen. Ein solcher Geist der Vernetzung soll auch in München entstehen.« Drei Jahre nach Gründung zählt die Digitale Stadt bereits mehr als 116 Mitglieder.

Ab zur Konferenz

Bits & Pretzels wurde innerhalb von fünf Jahren zu einer der wichtigsten Gründerkonferenzen des Landes. Hollywoodstars, Kapitalgeber und die Macher von Plattformen wie AirBnB geben sich hier die Klinke in die Hand und besuchen dann gemeinsam das Oktoberfest. Damit ist die Münchner Konferenzvielfalt nicht ausbuchstabiert: Mit der Innovationskonferenz DLD, der Entwicklerkonferenz DAHO.AM oder der Zukunftskonferenz 48forward ist die Stadt an der Isar ein Pilgerzentrum für Inspirationssuchende.

Der Roboter geht zur Hand

Die Landeshauptstadt entpuppt sich als neue Heimstatt der Robotik. Die Macher von Magazino etwa entwickeln autonome Logistikroboter. Navvis vermisst mit seinem Indoor-Navigationssystem zentimetergenau Innenräume und erzeugt dann einen digitalen Zwilling eines Gebäudes. Medineering wiederum entwickelt einen robotischen Assistenten für die Chirurgie.

Ab ins Krisentraining

Wie geht man gegen Cyberangriffe vor? Im Information Security Hub des Münchner Flughafens wappnen sich Unternehmen unter realistischen Bedingungen und auf neutralem Boden gegen Cyberattacken. Im sogenannten Cyberdrill werden IT-Experten aus DAX-Unternehmen, mittelständischen Betrieben und Behörden darin trainiert, auch unter höchstem Druck präzise und schnell arbeiten zu können. Damit die Guten gegen die Bösen gewinnen.

Klügere Mobilität

München ist zum Zentrum für die Entwicklung zeitgemäßer Mobilität geworden: Die Flixbus-Gründer haben den Markt für Fernbusreisen revolutioniert und machen sich nun daran, mit Flixtrain auch den Markt für Bahnreisen zu verändern. Die ersten Züge verkehren unter anderem zwischen Hamburg und Köln. Das Start-up ParkHere (Bild oben) widmet sich dem innerstädtischen Parkplatzproblem: Sensortechnik soll Autofahrern künftig dabei helfen, die Suche nach freien Stellplätzen zu erleichtern. Die Macher von CleverShuttle setzen auf umweltfreundliche Fortbewegung: Mithilfe einer App kann sich jeder ein umweltfreundliches E-Auto oder einen wasserstoffbetriebenen Pkw als Taxi bestellen. Fahrten werden mit anderen geteilt und dadurch erschwinglich.

Bitte lassen Sie Ihr Steuer los!

In der BMW Welt können Besucher mithilfe einer Virtual-Reality-Brille eine virtuelle, voll vernetzte und vor allem autonome Fahrt im BMW Vision iNEXT erleben: Der Fahrer kann in dieser Zukunftsvision das Auto wahlweise selbst steuern oder sich fahren lassen – um dann zum Beispiel an Videokonferenzen mit Kollegen teilzunehmen oder online einzukaufen.

Flitzeschnell

Vor vier Jahren rief der amerikanische Gründer Elon Musk (Tesla) den sogenannten Hyperloop-Wettbewerb ins Leben: Der Hyperloop ist ein Hochgeschwindigkeitszug, der sich fast mit Schallgeschwindigkeit in einer Röhre mit Teilvakuum bewegen soll. Musk bat Studierende auf der ganzen Welt, eine Kabine zu ­entwickeln, die in einem solchen Hyperloop fahren könnte. Ein Team der Technischen ­Universität München gewann den Wettbewerb dreimal, zuletzt 2018. Damals erreichte die Testkapsel 467 Stundenkilometer. Derzeit gibt es erste Planungen für eine Hyperloop-Teststrecke in Deutschland.

Im Labor

Mehr und mehr etablierte Unternehmen schaffen sich Digitallabore außerhalb der eigenen Mauern. Sie wollen das Denken befreien und ihren Mit­arbeitern Luft zum Nachdenken geben: Der Autobauer Volkswagen arbeitet in München an datengetriebenen Lösungen, das Technologieunternehmen Nokia eröffnete ein Digital Creativity Lab, der Rückversicherer Munich Re installierte im Werksviertel Mitte nahe dem Münchner Ostbahnhof einen von vier Lab-Standorten, in denen Experten an neuen Angeboten arbeiten (die drei anderen Standorte der Munich Re befinden sich in New York, Cincinnati und Peking). In unmittelbarer Nachbarschaft ist auch das Media Lab Bayern untergebracht, in dem digitale ­Innovationen in der Medienbranche angestoßen und gefördert werden. Und das ist nur eine kleine Auswahl an Ideenschmieden im ganzen Stadtgebiet, in denen Menschen an der digitalen Wirtschaft der Zukunft arbeiten.

Mobil nach vorn

Das Bundeswirtschaftsministerium hat zwölf sogenannte Digital Hubs ins Leben gerufen. So sollen Technologien und Industrien, die in Deutschland traditionell stark sind, zukunftsfit gemacht werden. Von zwölf Kompetenzstandorten finden sich gleich zwei in München: der InsurTech Hub (siehe Punkt 10) und der Digital Hub Mobility, in dem Partner wie Audi, BMW, Daimler, Infineon, SAP, Telekom oder TÜV Süd an den Mobilitätsthemen der Zukunft arbeiten und neue Geschäftsmodelle entwickeln. de-hub.de

In Sicherheit

Die Bundesregierung fördert die Digitalisierung wichtiger Wirtschaftsbereiche. Dazu hat sie ­unter ­anderem die Einrichtung des InsurTech Hub Munich angeregt (siehe Punkt 9). Die Ver­­sicherungsbranche ist in der bayerischen Landeshauptstadt traditionell stark vertreten, Unternehmen wie Allianz, Munich Re, Versicherungskammer Bayern oder Generali gehören zu den Großen des Markts. Nun suchen sie gemeinsam nach Wegen zur Digitalisierung der Branche.

Einzelhändler unterstützen

Die Münchner Fußgängerzone wurde schon immer von großen und traditionsreichen Marken des Einzelhandels geprägt. Sport- und Bekleidungsgeschäfte sind hier seit Jahrzehnten in Familienhand. Die Rid Stiftung fördert den mittelständischen bayerischen Einzelhandel bei der digitalen Transformation. Förderprogramme vermitteln Wissen in Sachen e-Commerce, der Rid Zukunftskongress widmet sich jedes Jahr dem Wandel des Handels.

Möglichmacher

Er war es, der die UnternehmerTUM vor 17 Jahren ins Leben rief und zu einem der wichtigsten Zentren für Entrepreneurship in Europa machte: Helmut Schönenberger. Das An-Institut der Technischen Universität München hilft Gründern und Start-ups in jeder Phase ihrer Entwicklung, von der Idee bis zum möglichen Börsengang. Das Fernbusunter­nehmen Flixbus hat hier Wurzeln, der Robotikexperte Magazino, die Sensorbauer von Konux oder die Big-Data-Gurus von Celonis. Die Programme der UnternehmerTUM sind denkbar vielfältig. Im Inkubator-Programm XPRENEURS werden Geschäftsmodelle präzisiert, im Accelerator TechFounders werden die jungen Unternehmerinnen und Unternehmer auf eine erste Finanzierungsrunde vorbereitet und mit der Industrie verknüpft. Inzwischen gibt es einen Venture Capital Fonds mit einem Volumen von mehr als 82 Millionen Euro, der Technologieunternehmen mit großem Marktpotenzial fördert. Damit noch lange nicht genug: In anderen Programmen gibt es Förderung für den Bau von ­Prototypen, das Forum UnternehmerTUM hat sich zu einem der wichtigsten Technologiekongresse des Landes entwickelt. »Es gibt in Deutschland gute Ideen und Spitzentechnologie, ­allein es fehlt der Gründergeist, um neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen«, sagte der studierte Luft- und Raumfahrttechniker Helmut Schönenberger einmal in einem Interview. UnternehmerTUM ist seine Antwort auf diesen Mangel.

Die erklären, was KI kann

Die UnternehmerTUM-Initiative Applied AI (zu Deutsch »Angewandte künstliche Intelligenz«) bringt seit einem Jahr der deutschen Industrie und dem Mittelstand die Chancen und Einsatzmöglichkeiten der künstlichen Intelligenz nahe. Wo es passt, werden unter der Leitung von Andreas Liebl (Bild) Start-ups und etab­lierte Unternehmen verkuppelt.

Celonis ist ein Einhorn

In den USA werden Start-ups, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet sind, auch als Einhörner bezeichnet. In München gibt es mit dem Softwarehaus Celonis solch ein Einhorn: Das Unternehmen der Gründer Bastian Nominacher, Martin Klenk und Alexander Rinke befasst sich mit der Echtzeitanalyse von Unternehmensprozessen und ist seit 2018 mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet.

Nerds in Serie

Heute Abend noch nichts vor? Die TU München und die Hochschule für Fernsehen und Film ­haben gemeinsam die Webserie Technically Single produziert. Hauptfigur: eine junge Frau, die sich an einer technischen Uni für Elektrotechnik eingeschrieben hat. Maria Furtwängler (Bild) ist auch dabei – als Professorin für Regelungstechnik.

Lösungen für die Stadt der Zukunft

Mitten in München entsteht bis 2020 ein neues Innovations- und Gründerzentrum, in dem Start-ups, etablierte Unternehmen, Kreative und ­Wissenschaftler gemeinsam an Smart-City-Lösungen arbeiten. »München braucht innovative Unternehmen, die mit uns gemeinsam Lösungen für die Stadt der Zukunft entwickeln«, sagte der einstige Bürgermeister Josef Schmid bei Gründung der Initiative. »Das Munich Urban Colab ­bietet dafür den perfekten Raum und wird auch die Gründungslandschaft in München einen großen Schritt voranbringen.« UnternehmerTUM und Landeshauptstadt München arbeiten hier zusammen und wollen sich Fragen widmen, die alle großen Städte betreffen: Wie wird Energieversorgung effizient? Wie lässt sich Umweltbelastung reduzieren? Wie sieht intelligente Mobilität aus?

Abgehoben

Eines der meistbeachteten Start-ups in München ist Lilium. Das Team um Gründer Daniel ­Wiegand entwickelt ein 36-motoriges, elektrisch angetriebenes Luftfahrzeug. Vor zwei Jahren hob der Lilium Jet erstmals ab und wurde nun zum Fünfsitzer erweitert. Ab 2025 soll das ­Vehikel als Flugtaxi Städte auf der ganzen Welt miteinander verbinden. Lilium zählt derzeit mehr als 300 Mitarbeiter in den Büros nahe dem Flugplatz Oberpfaffenhofen.

In Bewegung kommen

Eine Reihe von Münchner Start-ups widmet sich den gesunden und schönen Dingen. Die Macher der Fitness-App Freeletics zum Beispiel bringen uns in Bewegung, mehr noch: zum Schwitzen. Die App fungiert als digitaler Coach und verlangt von den mehr als 30 Millionen Nutzern vollen Einsatz.

Pionierin für Männermode

Auch in der digitalen Welt gibt es Traditionsunternehmen – der in München eröffnete Webshop herrenausstatter.de ist ein solches: Gründerin Renata DePauli bringt seit 1997 Mode und Männer zusammen. Das Handelsblatt würdigte DePauli in einem Porträt als ­»Pionierin des E-Commerce«.

Besser reisen

Das Münchner Start-up Fineway stellt zack, zack Traumreisen zusammen: Die Gründer Markus Bohl und Markus Feigelbinder haben dafür einen Travelbot entwickelt: Mithilfe von künstlicher Intelligenz und einem speziellen Beratungsverfahren soll jeder in drei Minuten sein perfektes Ziel finden.

Wo Ideen zum ersten Mal Wirklichkeit werden

Der MakerSpace in Garching bei München ist eine der größten Hightech-Prototypen-Werkstätten in Deutschland. Auf 1500 Quadratmetern experimentieren Bastler und Gründer mit 3-D-Druck-Maschinen, Lasercuttern oder Wasserstrahlschneidemaschinen. Start-ups tüfteln hier mit Werkzeug und Computer an Prototypen ihrer Produkte, und Mitarbeiter von gestandenen Unternehmen lernen, wie aus Ideen Wirklichkeit wird.

Ausgezeichnet

Der Münchner Forscher Sami Haddadin wurde für die Entwicklung des Leichtbauroboters Panda unter anderem mit dem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet. franka.de

Schön zu sehen

Wer einen lehrreichen oder unterhaltsamen Filmabend mit den Produktionen Münchner YouTuber verbringen möchte, hat reiche Auswahl. Drei Anregungen:

Philipp Dettmer und sein Team produzieren Erklärvideos für ihren YouTube-Kanal Kurzgesagt – In a Nutshell. Der Erfolg der illustrierten Filme ist gigantisch: 8,7 Millionen Menschen haben die Arbeiten der Münchner abonniert, einzelne Videos (Das Fermi-Paradoxon – Wo sind all die Aliens?) wurden mehr als 15 Millionen Mal geklickt.

Die 24-jährige Sophia Thiel begann 2012 ein intensives Trainings­programm und nahm mehr als 25 Kilogramm ab. Mit ihren knapp 930 000 Abonnenten teilt sie unter anderem Fitness- und Ernährungstipps (Homeworkout zum Mitmachen!).

Der Münchner Komiker und Kabarettist Harry G startete seine YouTube-Karriere als Oktoberfest-Grantler – inzwischen haben mehr als 114 000 Menschen seine Clips abonniert, und er tourt mit eigenem Programm durch das Land.

Vorausschauende Instandhaltung dank künstlicher Intelligenz

Zum ersten Mal in der Geschichte des Computers gibt es genug Daten und genug Rechnerleistung, um funktionsfähige KI-Programme zu entwickeln: Künstliche Intelligenz sucht nach Mustern in großen Datenmengen und leitet aus diesen Mustern Handlungsempfehlungen ab. Die Gründer von Konux machen sich das zunutze: Sogenannte smarte Sensoren können zum Beispiel die Gleisanlagen der Deutschen Bahn rund um die Uhr überwachen und rechtzeitig den Wartungsbedarf signalisieren. So werden Inspektionskosten gespart, und die Kapazität des Netzwerks wird gesteigert.

Anlegen mit Maschine

Geldanlegen ist eine hohe Kunst. Egal, wie aufmerksam Anleger den Markt verfolgen, sie sind nie vor Überraschungen gefeit. Die Gründer von Scalable entwickelten einen sogenannten Robo-Advisor, eine Software, die sich automatisch um die Verwaltung eines vorbestimmten Portfolios kümmert. Nach Angaben der Münchner Macher verwaltet Scalable inzwischen mehr als eine Milliarde Euro von 35 000 Kunden. Vor Beginn der automatisierten Anlage wird die Risiko­bereitschaft ermittelt, um eine angemessene und persönliche Strategie zu ermitteln.

Fotos: Ivana Bilz (2), Sima Dehgani, Stefan Hobmaier (2), Magazino, ParkHere GmbH,WARR Hyperloop Team, Andreas Gebert/Picture Alliance, Constantin Mirbach, COCOFILMS GmbH (2), UnternehmerTUM, Lilium, UnternehmerTUM / Bert Willer, Franka, courtesy of kurzgesagt.org; Illustration: Veronika Schmidt

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