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Digitalisierung im unternehmerischen Alltag - Unternehmerinnen erzählen

So könnt’s gehen

Was bedeutet die Digitalisierung im unternehmerischen Alltag? Wir haben sieben Machern über die Schulter geschaut

YouTube kann eigentlich jeder

Die Buchhändlerin

»Wir haben keine Ehrfurcht vor der Digitalisierung, sie ist unser Alltag«, sagt Buchhändlerin Ute Gartmann. »Bei uns gehen jeden Tag gut 200 Bestellungen digital raus, Faxe schicken wir überhaupt nicht mehr, telefonieren müssen wir nur mit schnarchnasigen Verlagen.« Ute Gartmann und ihre Schwester Sabine führen »die schatulle« seit drei Jahrzehnten. Beruflichen Routinen begegnen die beiden immer wieder mit Ideen. Seit einiger Zeit zum Beispiel gibt es jede Woche den sogenannten DoFi, den Donnerstagsfilm aus der »schatulle«: Gartmann und Gartmann besprechen vor der Handykamera Bücher und stellen das Ergebnis auf YouTube. Für das Projekt gab es schon Branchenpreise und viel Kundenzuspruch. »Kann eigentlich jeder«, sagt Ute Gartmann mit einem Schulterzucken. »Das Digitale verliert seine bedrohliche Wirkung, wenn man sich damit auseinandersetzt.«

Hier geht‘s zur Website: die-schatulle.de

Die Schmierfette aus Mönchengladbach halten unser Leben am Laufen. In den Radlagern von Autos sind sie genauso zu finden wie in den Gelenken von Riesenbaggern. In Kleinstmengen sorgen sie dafür, dass elektrische Zahnbürsten ihre vibrierende Arbeit verrichten können. »Wir haben unsere Fettfabrik fit für die Automatisierung gemacht und 1200 Sensoren installiert«, sagt Thomas Genz, der bei Rhenus Lub das Marketing leitet. »Unser Ziel sind noch bessere Qualitäten und Teilprozesse, die sich selbst steuern.« Was das heißt? Für die Herstellung eines Fettes braucht es zum Beispiel die drei Komponenten Grundöl, Verdicker und Additiv. Je nach Zusammenstellung und Herstellungsverfahren ergeben sich vollkommen unterschiedliche Fette. »Im Gegensatz zu früher werden heute alle Prozessparameter – von Drehzahlen bis hin zu Temperaturprofilen – digital erfasst und lückenlos dokumentiert. So wird sichtbar, an welchem Rädchen wir drehen müssen, um das punktgenaue Ergebnis zu bekommen.« Diese Form der Digitalisierung geschieht derzeit in vielen Industrien: Unternehmer werten Produktionsdaten aus und können effizienter arbeiten.

Hier geht‘s zur Website: rhenuslub.de

60 Prozent buchen auf der Website

Der Hotelier

Eine gewisse technische Aufgeschlossenheit darf man der Leitung des »Parkhotels Emstaler Höhe« unterstellen: Alle wichtigen Hausinformationen finden die Gäste in einem Tablet auf ihrem Zimmer. Das Kassensystem speichert alle Daten ganz modern in der Cloud. Und auch in den sozialen Medien geht es rund: Auf Facebook sind rund 13 000 Menschen als Anhänger des Vier-Sterne-Hotels verzeichnet. »Früher waren wir von den großen Reiseunternehmen abhängig«, sagt Geschäftsführer Stefan Frankfurth. »Heute vermarkten wir uns selbst im Internet: 60 Prozent der Besucher buchen direkt auf unserer Website.« Inzwischen hat Frankfurth gemeinsam mit dem Start-up betterspace auch die Heizung digitalisiert: Das Hotelreservierungsprogramm wurde mit den Thermostaten verknüpft. Ist das Zimmer frei, bleibt die Temperatur bei 16 Grad. Reist der Gast an, steigt sie auf 19 Grad. Checkt er ein: 21 Grad. Schöner Nebeneffekt dieses digitalen Engagements: Die 50 Mitarbeiter haben Spaß am modernen Betrieb. »Die Branche hat große Probleme, qualifizierte Mitarbeiter zu finden«, sagt Stefan Frankfurth. »Das Problem habe ich nicht.«

Hier geht‘s zur Website: emstaler-hoehe.de

Bei jeder Investition digitalisieren

Der Kartonmacher

Liebensteiner Kartonagen produziert Verpackungen aus Wellpappe. Klingt unspektakulär, ist aber ein hochtechnisierter und digitalisierter Prozess. Die Pappe wird vom Hersteller direkt vor Ort produziert und dann weiterverarbeitet. Die Logistiksysteme im ganzen Haus sind miteinander verbunden – im Grunde greift keine menschliche Hand mehr beim Weitertransport der Werkstücke ein. Auch Gabelstapler sind aus der Halle verschwunden, es gibt weder Lieferscheine auf Papier noch aufgedruckte Barcodes oder RFID-Chips. Vielmehr ermöglicht die Kombination eines Lichtschrankensystems mit mehreren Datenbanken die Ortung der Produkte. »Wir gestalten unsere Systeme so, dass unsere Kunden möglichst jederzeit online Antworten auf ihre Fragen bekommen«, sagt Sebastian Forster. »Wie viele Kartons sind auf Lager? Wann wird wieder produziert? Wann erfolgt die nächste Lieferung?« Immer wieder kommen Besucher aus aller Welt ins oberpfälzische Plößberg und wollen sehen, was geschieht, wenn ein Unternehmen laufend neu investiert. »Bei jeder Investition achten wir darauf, noch mehr zu digitalisieren. Unser Ziel ist es, möglichst viele Prozesse miteinander zu verknüpfen.« Die Rechnung geht auf: Laut Sebastian Forster sind inzwischen 90 Prozent der Produktion automatisiert.

Hier geht‘s zur Website: liebensteiner.de

Online bezahlen muss einfach sein

Die Rechnungsexpertin

Wenn sie die Wahl hätten, würden die meisten Deutschen ihre Online-Bestellungen per Rechnung zahlen. Viele Händler aber scheuen den Aufwand: Bonitätsprüfung, Mahnungen schreiben, es ist nicht leicht. Hier kommt Miriam Wohlfarth mit RatePay ins Spiel. »Wir wollen den Handel unterstützen, indem wir Händler und Käufer mit einfachen Zahlungsarten verbinden«, sagt die Expertin. »Unsere Kernkompetenzen sind die Echtzeitprüfung des Risikos und die Abwicklung aller nachgelagerten Prozesse.« Wohlfarth setzt sich seit Langem mit Online-Bezahlsystemen auseinander, sie gründete RatePay 2009 und weiß: »Die Leute experimentieren beim Zahlen nicht gerne. Online zahlen muss einfach und sicher funktionieren.« Unternehmen wie die Otto Group, die Fluglinie Germanwings oder Blume 2000 nutzen heute die Lösungen von Miriam Wohlfarth.

Hier geht‘s zur Website: ratepay.com

SEO spielt seit Beginn die größte Rolle

Der Reiseanbieter

Seit 2002 verkauft viventura Südamerikareisen – ausschließlich online. Wie das geht? Durch Nutzung des digitalen Werkzeugkastens. Gründer André Kiwitz pflegt seit der ersten Stunde einen Newsletter. Die Kunden werden nach jeder Reise um Feedback gebeten, gerne öffentlich auf der Webseite. Im Blog stehen Südamerika-News, Reiseleiter stellen sich vor, die 30 Mitarbeiter präsentieren Rezepte aus den Zielländern. »SEO spielt seit Beginn die größte Rolle«, sagt André Kiwitz. Search Engine Optimization bedeutet, dass eine Webseite relevante Inhalte bereitstellt, die von Suchmaschinen gefunden werden. André Kiwitz machte möglich, was vor 17 Jahren viele für undenkbar hielten: Menschen kaufen Reisen für 4000 Euro oder mehr im Netz. Die Anbahnung beginnt in den sozialen Medien, mit Fotos und Filmen. »Die Customer Journey dauert bei uns mehrere Monate«, sagt André Kiwitz. »Wir nutzen unter anderem Retargeting: Kunden, die bei uns gelesen haben, entdecken uns beim Surfen in Anzeigen wieder.« Ein Data Analyst wertet aus, wie Online-Anzeigen wirken, wie sich Menschen auf der Seite bewegen. Mit den Ergebnissen will Kiwitz die Kundenbedürfnisse noch besser erkennen.

Hier geht‘s zur Website: viventura.de

Erkannt, dass wir in die digitale Welt müssen

Der Medienmacher

115 Jahre sind ein tüchtiges Alter für eine Unternehmung. So lange gibt es das Druckhaus Steffen im mecklenburgischen Friedland bereits. »Der Druck ist nach wie vor wichtig, wir verarbeiten jede Woche 80 Tonnen Papier«, sagt Geschäftsführer Sven Steffen. »Aber die Verhältnisse verschieben sich. 2001 hatten wir 30 Mitarbeiter – darunter neun Offsetdrucker und ein Programmierer. Heute haben wir 57 Mitarbeiter – darunter fünf Drucker und neun Mitarbeiter fürs Digitale.« Die Wende leitete Sven Steffen vor gut zehn Jahren ein. »Wir haben damals erkannt, dass wir uns in die digitale Welt bewegen müssen, wenn wir weiter existieren wollen.« Immer häufiger fragten Druckkunden nach Digitallösungen. Steffen baute einen digitalen Unternehmensast auf, seine Mitarbeiter begannen Webseiten und Apps für iOS und Android zu entwickeln. Die Fähigkeiten des Medienhauses sprachen sich bis ins Ausland herum. Im Moment entwickelt Caroline Eckartsberg, Leiterin der digitalen Einheit, eine umfangreiche Webseite für ein Schweizer Schweinezuchtunternehmen. »Regional nimmt man uns noch als Druckhaus wahr«, sagt Sven Steffen. »International sieht man in uns nur die Digitalagentur.« Der Wandel hat sich gelohnt: Der Umsatz von Steffen Media hat sich seit 2007 bereits vervierfacht.

Hier geht‘s zur Website: steffen-media.de

Fotografie: Paula Markert (die schatulle & STEFFEN MEDIA), Thekla Ehling (Rhenus Lub), LÊMRICH (Parkhotel Emstaler Höhe), Myrzik & Jarisch (Liebensteiner Kartonagen), Andreas Lux (ratepay & viventura)

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