Ein Job der Zukunft
Viele Unternehmen suchen händeringend nach KI-Experten. Derzeit mangelt es aber noch an entsprechenden Studiengängen. Der Weg in den Job führt nicht zuletzt über das Selbststudium
Dieser Text handelt von neuen Jobs, die mit künstlicher Intelligenz zu tun haben. Er könnte mit einem Ingenieur beginnen, der vernetzte Fabriken aufbaut. Er könnte aber auch mit einem Juristen starten, der eine Beurteilung liest, die ihm ein Algorithmus anhand einer Datenanalyse geschrieben hat. Er könnte einen Mediziner beschreiben, der mit Computerhilfe in MRT-Daten nach Tumoren sucht. Oder einen Landwirt, der am Bildschirm den vollautomatisierten Melkprozess in seinem Kuhstall überwacht. Die Bandbreite der Arbeiten, in denen künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen eine Rolle spielen, ist inzwischen sehr groß geworden. Fast alle Branchen der deutschen Wirtschaft sind von diesem Teil der digitalen Revolution betroffen.
Während sich bei den einen nur einzelne Tätigkeiten verändern, wandeln sich bei anderen ganze Jobprofile. Künstliche Intelligenz kann Aufgaben erleichtern, Ergebnisse verbessern, Strukturen erkennen und die Effizienz steigern. Für viele Unternehmen wird der Einsatz von KI schon ziemlich bald ein Wettbewerbsfaktor sein.
Etwa 95 000 Datenspezialisten werden derzeit gesucht
Was genau diese Veränderung für den Arbeitsmarkt bedeutet, können auch Experten nur schwer einschätzen. Klar ist derzeit nur, dass es an Fachkräften fehlt – und zwar schon heute. Personalchefs suchen nicht nur nach Programmierern, sondern nach Menschen, die Anwendungen prüfen und warten, die sie anwenden und einordnen und damit überhaupt erst nutzbar machen. Wie besetzt man diese vielen neuen, offenen Stellen? Als Harald Fortmann vor Kurzem eine Anfrage von einem großen Versicherungsunternehmen bekam, konnte er sich das Lachen nicht verkneifen: 300 Datenanalysten sollte der Personalberater nach Möglichkeit suchen. »So viele gibt es nicht mal in ganz Deutschland«, so Fortmann. Obwohl er mit seiner Agentur D-Level auf die digitale Wirtschaft spezialisiert ist, muss der Hamburger bei seinen Personalsuchen im Bereich KI fast immer einen Umweg gehen. Anders als in den USA oder in China gibt es in Deutschland kaum Menschen, die auf diesem Gebiet bereits Erfahrungen gesammelt haben. »Ich muss mich also fragen, wer grundsätzlich das richtige Potenzial mitbringen könnte«, sagt Fortmann. »Mir geht es zum einen um Fähigkeiten im technischen Bereich, zum anderen aber auch um etwas, was ich Digitalenthusiasmus nenne.« Die richtigen Kandidaten für den Job als Datenspezialist findet Fortmann vor allem unter Naturwissenschaftlern. Diese sind den Umgang mit großen Datenmengen gewohnt und zugleich neugierig auf Anwendungen mit künstlicher Intelligenz.
Derzeit suchen deutsche Unternehmen etwa 95 000 Datenspezialisten. Zu diesem Ergebnis führte eine Untersuchung des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung McKinsey. Die Zahl teilt sich allerdings auf: In 85 000 Fällen sind Menschen aller Fachrichtungen mit fortgeschrittenen Datenanalysekenntnissen erwünscht, etwa Mediziner oder Betriebswirte mit Big-Data-Erfahrung. Weitere 10 000 Stellen gäbe es für spezialisierte IT-Experten im Fach Big Data oder Datenanalyse. »Leider gibt es nur sehr wenige Studiengänge in diesem Bereich«, sagt Mathias Winde vom Stifterverband. Für das Wintersemester 2017/18 listet der Hochschulbildungsreport genau drei Bachelor- und 23 Masterstudiengänge mit einem ausdrücklichen Big-Data- oder Data-Science-Bezug. Mathias Winde sieht nicht nur bei der Spezialisierung Nachholbedarf: »Um wirksam in die Breite zu gehen, sollte der Umgang mit digitalen Tools und Mensch-Maschine-Aktionen in sämtlichen Studiengängen gelehrt werden, auch in den sozial- und geisteswissenschaftlichen.« Allein: So viele Professoren mit entsprechendem Hintergrund gibt es gar nicht. Und um diese wenigen reißt sich wiederum die Wirtschaft.
Personalberater Harald Fortmann ist auch für den Bundesverband Digitale Wirtschaft als Botschafter für die Arbeitswelt der Zukunft unterwegs. Er rät KI-Interessierten derzeit ein Studium im naturwissenschaftlichen Bereich oder in Informatik mit anschließender Weiterbildung. »Es gibt viele Möglichkeiten, an internationalen Programmen teilzunehmen. Besonders die US-Universitäten haben sich stark geöffnet und stellen teils ihre Vorlesungen ins Netz.« Wer Experte für künstliche Intelligenz werden will, so viel lässt sich sagen, sollte auch ein guter Autodidakt sein.
Illustrationen: Bratislav Milenković; Foto: Tina Demetriades
Weiterführende Links
Personalberater Harald Fortmann empfiehlt jenen, die sich im Bereich KI fortbilden möchten, die folgenden Websites: Auf bigdata.fraunhofer.de sind die Angebote der Fraunhofer-Gesellschaft zu finden. bitkom-akademie.de versammelt die Weiterbildungen des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien. Die Internetseite vdi-wissensforum.de ist ein Angebot der Gruppe des Vereins Deutscher Ingenieure.