Berliner am Werk
Rund 130 Menschen arbeiten bei Google an der Spree – an unterschiedlichsten Aufgaben, mit unterschiedlichsten Erfahrungen. Zwei von ihnen stellen wir hier vor
Isabelle Sonnenfeld:
Für Informationszugang und Gleichberechtigung
Isabelle Sonnenfeld, das sagt sie selbst, ist ein Nachrichtenjunkie: Als Studentin hat sie an ihrer Hochschule ein politisches Magazin gegründet, das heute noch existiert. Wenn sie ihre Eltern in Bonn besucht, liest sie den General-Anzeiger, zu Hause in Berlin alle möglichen Medien und natürlich Twitter. Die 34-Jährige ist ein neugieriger Mensch, sie kommuniziert gern und viel. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum sie Journalismus so schätzt. »Er ist sehr wichtig für unsere Demokratie«, sagt sie und ergänzt: »Deswegen ärgert es mich, dass das Vertrauen in die Medien zuletzt nachgelassen hat.« Diesem Vertrauensverlust will die studierte Politik- und Europawissenschaftlerin mit ihrem Job etwas entgegensetzen. Seit 2015 leitet Sonnenfeld von Berlin aus das News Lab als Teil der Google News Initiative für den deutschsprachigen Raum. Zuvor hatte sie Pionierarbeit für Twitter geleistet: Als erste Mitarbeiterin in Deutschland baute sie das soziale Netzwerk hierzulande auf und führte Politiker und Journalisten an die Kommunikation auf der Kurznachrichtenplattform heran. »Ich trage ein unternehmerisches Gen in mir und bin zudem eng verbunden mit der Berliner Start-up-Szene«, sagt Sonnenfeld, die in den Google-Büros alle nur Isa nennen. »Ich liebe es, etwas Neues zu starten, Strategien zu entwickeln und dafür Partner zu suchen.«
Auch bei Google News Lab konnte sie ihren Unternehmergeist von Anfang an ausleben. Mit ihrem Team und Kollegen aus aller Welt arbeitet Isa Sonnenfeld daran, Qualitätsjournalismus zu fördern und Desinformation zu bekämpfen. In den vergangenen vier Jahren haben in Deutschland, Österreich und der Schweiz 9000 Journalisten an den Trainings des Google News Lab teilgenommen. Sie lernten und lernen, wie man digitale Werkzeuge, etwa die Google-Suche, Google Trends oder Google Earth, optimal zur Recherche nutzt – und zur Überprüfung von Tatsachenbehauptungen: Eine Markierung namens »Fact Check Tag« etwa signalisiert bei der Suche mit Google oder Google News, dass eine Nachricht von einem seriösen Medium überprüft wurde.
Journalismus ist sehr wichtig für unsere Demokratie
Isabelle Sonnenfeld Für Informationszugang und Gleichberechtigung, Google Berlin
Faktenchecks stehen oft auch im Mittelpunkt, wenn sich Isa Sonnenfeld mit ihrem Team und Vertretern verschiedener Medien neue Projekte überlegt. »Gerade vor Wahlen haben wir viele Maßnahmen und Initiativen entwickelt, um gegen falsche Meldungen vorzugehen«, erklärt sie. Das News Lab unterstützt Rechercheorganisationen wie Correctiv und First Draft, die vor der Bundestagswahl 2017 eine Spezialredaktion in Berlin eröffneten. Von dort aus spürten die Journalisten erfundene und irreführende Meldungen im Netz auf und informierten per täglichem Newsletter Journalisten, aber auch Bürger darüber. Ein ähnliches Ziel verfolgt die Initiative factcheckeu.info, bei der 19 europäische Medien vor der Europawahl 2019 Faktenchecks veröffentlichten.
Der freie Zugang zu relevanter Information spielt eine große Rolle in Isa Sonnenfelds Leben – aber nicht die einzige. Zum einen ist sie seit 2018 stolze Mutter. Zum anderen wehrt sich die Feministin seit Jahren mit großem Einsatz gegen Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern. Bei Google engagiert sie sich im globalen Frauennetzwerk Women@Google und beim Förderprogramm für Gründerinnen. Zudem unterstützt sie das deutsche Kursprogramm der Google-Initiative Womenwill, die jungen Frauen dabei hilft, gleichberechtigt ihre Karriereziele zu erreichen. »Ich bin sehr froh, dass ich mit Google einen Arbeitgeber habe, der viele meiner persönlichen Anliegen unterstützt«, sagt Isa Sonnenfeld, die schon vor ihrer Zeit bei Google für Gleichberechtigung kämpfte. In der von ihr mitgegründeten Event- und Podcast-Reihe »Rolemodels« berichten erfolgreiche Frauen von ihrem Berufs- und Lebensweg. Mit ihren Geschichten verhält es sich für Isa Sonnenfeld wie mit den neuesten Nachrichten: Sie kann davon einfach nicht genug bekommen.
Jakob Uszkoreit:
Zwischen Kunst und KI
Wenn Jakob Uszkoreit ganz für sich sein will, geht er in die Luft. Am liebsten in der Schweiz steigt er dann in den Gleitschirm und läuft einen Hang hinab, ehe ihn die Thermik abheben lässt. »Beim Paragliding musst du dich so auf den Moment konzentrieren, dass der Kopf praktisch automatisch von anderen Dingen frei bleibt«, sagt der 37-Jährige. Die Technik hält er beim motorlosen Fliegen so minimal wie möglich, ein Navigationsgerät genügt.
Genau das Gegenteil ist der Fall, wenn der Experte für künstliche Intelligenz (KI) an seinem Schreibtisch bei Google in Berlin sitzt. Auf seinen Computermonitoren und denen seiner Kollegen stehen Programmierzeilen, an der Wand bildet eine große Lichtinstallation ein menschliches Gehirn nach. »Momentan beschäftige ich mich viel mit Katzenvideos«, sagt er und grinst. Kurze Clips süßer Tiere gelten als Klischeebeispiel für seichte Unterhaltung aus dem Internet. Also ziemlich genau das Gegenteil dessen, was man von einem wie Jakob Uszkoreit erwarten würde: Er verbrachte die ersten Lebensjahre im Silicon Valley, weil sein Vater, ein Computerwissenschaftler, in Stanford forschte; war mit 17 Mitgründer eines Start-ups, das Kundenmanagement-Software für Banken entwickelte; schloss an der TU Berlin den Studiengang Informatik mit Auszeichnung ab und arbeitete danach bei Google in Kalifornien. Er gehörte dort einem Forscherteam an, das Googles Übersetzungsprogramm mithilfe von KI elementar verbesserte.
Künstliche Intelligenz bietet ein riesiges Potenzial, die Welt zu verbessern
Jakob Uszkoreit Zwischen Kunst und KI, Google Berlin
Und heute Katzenvideos in Berlin? Ja, aber natürlich nicht zur Berieselung. Jakob Uszkoreit leitet hier ein KI-Team, das Grundlagenforschung betreibt. Die Filmchen, die ein Programm zu Tausenden im Internet zusammensucht, dienen als Futter für eines ihrer aktuellen Projekte: Vereinfacht gesprochen soll künstliche Intelligenz ein Verständnis für typische Verhaltens- und Bewegungsweisen von Lebewesen und Objekten entwickeln. Im Falle der Katzen könnte das System nach ausreichend maschinellem Lernen in der Lage sein, auf Basis eines Bildes ein Video zu erzeugen, in dem das Tier realistisch läuft. Wozu das gut ist, ist zunächst zweitrangig. »Wir bauen einen Grundstock, auf den man später mit konkreten Fragen aufsetzen kann«, erklärt Jakob Uszkoreit, der aber natürlich Vorstellungen davon hat, wofür seine Grundlagenforschung theoretisch nutzbar sein könnte.
»Künstliche Intelligenz bietet ein riesiges Potenzial, die Welt zu verbessern«, ist der Informatiker überzeugt und nennt die Medizin als Beispiel. Aber auch zwischen Kunst und KI sieht er enge Verbindungen: »Mich treibt es an, mit künstlicher Intelligenz Werkzeuge zu bauen, die Menschen helfen, sich kreativ auszudrücken«, sagt der Mann, der in seiner Freizeit Klavier spielt, aber auch im berühmten Technoclub »Berghain« Nächte durchtanzt.
Nicht nur wegen der pulsierenden Club- und Kulturszene fühlt sich Jakob Uszkoreit am Berliner Google-Standort sehr wohl. »Ich spüre in unserem kleinen Team eine starke Aufbruchstimmung«, sagt er. Und als »einzige echte Weltstadt in Deutschland« biete Berlin mit seiner lebendigen Start-up-Szene und den vielen jungen Talenten aus aller Welt das perfekte Umfeld für die Forschung an Technologien der Zukunft.
Nur wenn’s ums Gleitschirmfliegen und den freien Kopf geht, muss Uszkoreit raus aus Berlin, rein in die Berge. Ein weiter Weg, aber ein lohnender: Im vergangenen Spätsommer hielt er sich bei einem einzigen Flug acht Stunden lang in der Luft – ganz ohne künstliche Intelligenz.
Google in Berlin: Technologie und Tradition an der Museumsinsel
Seit Anfang 2019 hat Google ein neues Zuhause in Berlin. Im denkmalgeschützten Gropius Ensemble an der Tucholskystraße finden auf 8500 Quadratmetern bis zu 300 Mitarbeiter Platz. Aktuell arbeiten in der Hauptstadt 130 Googler aus den Bereichen Cloud, Lokalisierung, Marketing, Google Play, Policy, Sales, Google for Startups und YouTube. Das von Annette Kroeber-Riel geleitete Berliner Google-Büro ist außerdem Sitz einiger Forscher, die sich mit künstlicher Intelligenz beschäftigen. Auch der YouTube Space, der unter anderem Studios und Kameraequipment für Videoproduktionen bietet, wird in Kürze von Tempelhof an die Museumsinsel ziehen.
Das denkmalgeschützte Gebäude ist Teil des Forums an der Museumsinsel, in dem Mitte des 19. Jahrhunderts unter anderem das Haupttelegrafenamt sowie das Fernsprechamt angesiedelt waren. Ein Teil des neuen Google-Sitzes diente einst der Charité als Frauenklinik; ein historischer Hörsaal aus dieser Zeit blieb beim Umbau durch Sir David Chipperfield erhalten (Foto oben rechts). Heute erinnert nicht nur der Blick auf Bode-Museum, Spree und Fernsehturm die aus allen Teilen der Welt stammenden Mitarbeiter daran, in welcher Stadt sie sind: In den Namen der modern gestalteten Räume wurden skurrile Orte wie der »Bierpinsel«, legendäre Berliner Songs wie »99 Luftballons« und Berliner Sprüche wie »Ham wa nich« verewigt. Die Kantine im vierten Stock heißt – natürlich – »Berliner Luft«.
Fotografie: Thomas Eugster